Wer nach den Sternen greift
können. Jedes Kind hatte sein eigenes Pony, und als Sophie alt genug für ein Pferd war, ritt ihr Vater mit ihr im Central Park aus, bis es zu kalt wurde. Dann kaufte er den Kindern Schlittschuhe und brachte ihnen auf dem kleinen gefrorenen See im Park Eislaufen bei.
Jeden Abend las Frank den Kindern etwas vor oder erzählte ihnen Geschichten. Sophie fand, dass er wundervoll erzählen konnte, und am liebsten hörte sie die Handlung von »Aida«, »Carmen« oder anderen Opern. Er brachte ihr die Musik nahe und schilderte ihr die Szenen in so glühenden Farben, dass sie ihn bat, sie doch einmal mitzunehmen. Und als sie dann ihre erste Oper erlebte, saß sie den ganzen Abend wie gebannt da.
Franks und Annies Liebe litt nicht unter ihrem regen gesellschaftlichen Leben. Im Winter fuhren sie regelmäßig nach Colorado, um dort unzählige Partys für Freunde und Verwandte zu geben. Dort fand Frank auch Zeit, um sich um die Bibliothek und das Krankenhaus zu kümmern, das Laurels Mann Don leitete. Jedes Mal fuhr er dann auch zur Mine und redete mit Ethan stundenlang über die Finanzen. Sie hatten mehr Geld, als sie jemals ausgeben konnten, und es wurde täglich mehr.
Trotz des Kaschmir-Diamanten, den niemand in der Gesellschaft ignorieren konnte, und trotz der vielen wohltätigen Dinge, die Frank tat, wurden sie von den »Vierhundert« in New York niemals eingeladen. Annie störte das nicht im mindesten. Ihr Leben war erfüllt. Aber Sophie wurde einsam und zog sich immer mehr zurück, auch wenn sie zu Hause ausgelassen mit ihren Brüdern tobte oder ihren Vater in die Oper begleitete, was die anderen Neureichen ganz entzückend fanden.
Als Sophie zehn Jahre alt war, sagte Annie zu Frank: »Ich möchte nach Europa fahren, und zwar nicht nur für ein paar Wochen, sondern den ganzen Frühling über. Die Kinder können Französisch lernen, und wir können uns anschauen, wie es in einem anderen Land so ist.« Und, dachte sie, ich kann die Pariser Mode aus der Nähe studieren.
Letztendlich blieben sie beinahe ein Jahr.
Sophie liebte die Schule in Paris. Sie entdeckte dort, dass sie eine Neigung zu Geschichte hatte, weil das Fach ganz anders unterrichtet wurde als bei Miss Shibley. Außerdem lernte sie mit einer solchen Leichtigkeit Französisch, dass sie innerhalb weniger Monate mit Pariser Akzent sprach. Annie hingegen konnte gerade mal »Bonjour« sagen und fragen, wo die Toilette ist.
Frank und Annie wurden vom französischen Adel mit offenen Armen empfangen. Viele von ihnen hatten Wohnungen in Paris, das noch keine so sonderlich elegante Stadt war, und Familiensitze auf dem Land. Die Currans waren überall willkommen. Die Franzosen fanden zwar Annie ein wenig ungeschliffen, lachten aber mit ihr, statt über sie, und sie liebten ihre Lebenslust und ihre temperamentvolle Art. Untereinander sagten sie sich, dass die Amerikaner wohl ein wenig ungehobelt und unkultiviert waren, aber sie fanden Annie und Frank erfrischend, ihre Kinder entzückend und die Abendeinladungen in ihrer gemieteten Wohnung unvergleichlich.
Sophie fand Freundinnen in Paris, Mädchen, mit denen sie lachen und Geheimnisse austauschen konnte. Am liebsten wäre sie nie mehr nach New York zurückgekehrt, weil sie sich dort so einsam und zurückgewiesen fühlte. Sie hatte gehorsam alle Regeln bei Miss Shibley befolgt, aber trotzdem hatte man sie nicht akzeptiert. Tief im Innern wusste sie, dass ihre Mutter zu laut lachte, aber sie liebte ihr Lachen. Wenn ihre Mutter einen Raum betrat, war es, als ginge die Sonne auf. Sie wusste auch, dass sie reich waren, weil ihr Vater eine Silbermine entdeckt hatte. Die Väter der anderen Mädchen hatten ihren Reichtum geerbt, und ihre Familien hatten seit Generationen Geld. All diese Dinge wurden ihr in Frankreich klar. Sie merkte, dass es nicht an ihr gelegen hatte, dass die anderen Mädchen bei Miss Shibley sie gemieden hatten. Und sie wusste vor allem, dass sie in dieser Gesellschaft nie einen Platz finden würde. Die französischen Mädchen mochten sie und luden sie zu sich nach Hause ein, und der französische Lebensstil gefiel ihr sehr, vor allem das französische Essen. Sie dachte sich, dass sie eines Tages einen französischen Koch haben wollte, und dann würde sie jeden Tag zum Frühstück nichts anderes als Croissants und Café au lait zu sich nehmen.
Als sie nach acht Monaten in Frankreich wieder zurückkehrten, blieben sie nur eine Woche in New York, bevor sie über die Weihnachtsferien nach Denver
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