Wer nach den Sternen greift
fuhren.
Sowohl Sophie als auch Frank hatten im Ausland einen Entschluss gefasst, der ihr Leben verändern sollte. Im Zug von New York nach Denver verkündete Sophie: »Ich gehe nicht mehr zu Miss Shibley.«
»Wohin möchtest du denn gerne gehen?«, fragte Frank.
»Ich bleibe zu Hause und lese.«
»Nein, das tust du ganz bestimmt nicht«, erwiderte Annie. »Ein zwölfjähriges Mädchen eignet sich nicht zum Eremiten.«
Frank blickte auf die trostlose Landschaft von Nebraska, die am Zugfenster vorbeiflog, und sagte: »Was hältst du denn davon, wenn wir eine Schule gründen?«
Sofort zupfte Sophie ihrer Mutter aufgeregt am Rock. »Mama, wir können doch die Töchter von deinen Freundinnen fragen, die immer zu deinen Partys kommen?«
Annie streichelte ihrer Tochter über die Wange. »Ja, warum nicht? Es wird langsam Zeit, dass sie ihren Kindern mal ein wenig Bildung zukommen lassen.«
»Mach eine Liste«, schlug Frank vor. »Ich rede mit ihnen, wenn wir wieder zurück sind.«
»Ich sage ihnen Bescheid«, erwiderte Annie. »Myra Littlewood und Sylvia Russell werden von der Idee begeistert sein. Und wenn wir ihnen die Planung überlassen, dann sieht es auch nicht so aus, als wollten wir die Oberhand haben.«
Frank hatte in der Zeit in Frankreich den Entschluss gefasst, seine Millionen nicht mehr in den Gewölben der Bank verkümmern zu lassen. Den geschäftlichen Teil konnte Ethan allein bewältigen, aber er wollte gerne mehr über Investitionen lernen, um sein Geld zu vermehren. Nicht, dass er mehr Geld wollte, aber er wollte seinem Gehirn etwas zu tun geben.
Als sie zurückkamen, gefiel es Sophie in New York viel besser, und im Jahr darauf machte sie nicht nur eine mentale, sondern auch eine rasante körperliche Entwicklung durch. Ihr Busen wuchs, und ihre natürliche Lebhaftigkeit, die bei Miss Shibley nur unterdrückt worden war, trat zutage. Sie stand im Mittelpunkt einer Gruppe junger Damen, die vielleicht von der feinsten Gesellschaft nicht akzeptiert wurden, aber zu den reichsten Erbinnen der Welt gehörten. Und in dieser Gruppe wurde Sophie nicht nur akzeptiert, sondern man blickte auch zu ihr auf, und sie wurde zur Anführerin, weil sich herausstellte, dass sie dazu geboren war. Nie machte sie sich über andere Mädchen lustig, weil sie seit ihrer Zeit bei Miss Shibley ganz genau wusste, wie schlimm das war, und sie nahm neue Mädchen unter ihre Fittiche und kümmerte sich um sie. Sie organisierte Tanzveranstaltungen und Ausflüge ins Museum of Natural History. Alle liebten und bewunderten sie, und der Tag hatte nicht genug Stunden für all das, was sie gerne tat. Da sie kaum Zeit hatte, überredete sie ihren Vater, für sie eine Französischlehrerin zu engagieren, mit der sie sich jeden Tag eine Stunde lang auf Spaziergängen und bei Museumsbesuchen auf Französisch unterhielt.
Als seine Tochter fünfzehn Jahre alt war, beschloss Frank, der mittlerweile Grundbesitz nicht nur in New York City, sondern auch in Chicago besaß, ein »Landhaus« auf Long Island zu bauen.
Annie fragte: »Warum? Wir verbringen doch den Sommer immer in Denver.«
»Wir müssen ja nicht jedes Jahr das Gleiche machen«, erwiderte ihr Mann.
Das Sommerhaus hatte achtzehn Zimmer, eine Remise für die Kutschen und einen Stall für sieben von Franks Pferden, die er gerne bei Rennen laufen lassen wollte. In den letzten fünf Jahren hatte er Gestüte im ganzen Land besucht und sich mit Pferdezucht beschäftigt.
Sophie, die wie ihr Bruder Adam die Liebe ihres Vaters zu Pferden teilte, fragte ihn, warum Mädchen eigentlich nicht Jockeys werden könnten, aber er erklärte ihr, dass sie schon zu groß dazu sei. Aber er legte einen Reitplatz für seine Kinder an und ließ auch in den Wald auf seinem Besitz Wege schlagen, auf denen sie reiten konnten.
Es dauerte zwar einige Jahre, aber dann folgten auch die anderen seinem Beispiel und bauten sich ebenfalls Sommerhäuser auf der Insel. Damals dauerte die Kutschenfahrt bis in die Stadt noch einen ganzen Tag, obwohl es nur ungefähr vierzig Kilometer bis New York waren. Im Sommer war es auf der Insel wesentlich kühler, und im Winter schloss Frank das Haus ab, und ein Verwalter mit seiner Frau kümmerte sich darum. Es war eine frivole Art, drei Millionen Dollar auszugeben, aber was bedeutete diese Summe schon für den Silberkönig?
Die Weihnachtsfeiertage und den halben Januar verbrachten sie immer in Denver. Ethan und Mary Ann gehörten mittlerweile in Denver zur obersten
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