Wer nach den Sternen greift
erzählen muss. Ob er sich wohl an ihn erinnert? Es ist ja schon fünf Jahre her, und es war ja nur eine kurze Bekanntschaft. Mir ist hauptsächlich seine Schwester in Erinnerung geblieben, die in Kalifornien das Weingut leitet. Sie war eine faszinierende Frau.« Alex lachte. »Sie hat davon geredet, dass ich mit ihr nach Afrika gehen sollte.«
»Nach Afrika?«
»Ja, stell dir vor! Ausgerechnet dorthin!«
»Du willst wahrscheinlich Mutter und diesen Arzt, diesen Ben, einladen.«
»Immerhin wohnt deine Mutter hier.«
»Aber wir müssen sie nicht zu jedem Fest einladen. Und dieser Doktor passt nicht zu unseren Freunden.«
»Dieser Doktor und deine Mutter gehören zu meinen engsten Freunden.« Sie bemerkte, wie Oliver die Fäuste ballte. »Was ist mit den Ashleys? Willst du sie einladen, oder soll ich es tun?«
»Das kannst du machen. Bertie und Edwina können wir auch einladen. Und in der letzten Zeit habe ich mich in der Stadt häufig mit Eddie Spencer und seiner Frau getroffen.«
»Ist das Lord Ambley? Ich kenne die beiden nicht, aber natürlich … Lass mal sehen, das macht dann …« Alex zählte die Personen mit den Fingern ab. »Nun, das wird bestimmt ein nettes Wochenende.«
Oliver konnte zwar seine neuen Gemälde nicht vorführen, weil sie sich im Londoner Haus befanden, aber der Gedanke an das bevorstehende Wochenende gefiel ihm. Den Comte und die Comtesse mochte er gern, und auch der Bruder war als Präsident dieses international operierenden Unternehmens recht beeindruckend. Nun, als Herr von Schloss Carlisle würden sie ihn vermutlich auch beeindruckend finden. Er wusste, dass er das Alex zu verdanken hatte, nicht nur ihrem Geld, sondern auch ihrem Geschmack, und er war dankbar dafür.
Die beiden Männer allerdings, die aus der Ferne dafür sorgten, dass immer genügend Geld da war, Frank Curran und Colin von Rhysdale, waren Oliver ein Rätsel. Er verstand nicht ganz, warum sie ein englisches Schloss finanzierten, so dass Alex dort dem Lebensstil nachgehen konnte, den sie gewöhnt war. Aber die Amerikaner waren sowieso komisch. Man brauchte sich doch nur Jennie Churchill und die Herzogin von Marlborough anzusehen, die beide im Alter seiner Mutter waren. Es gab immer etwas über sie zu klatschen, und die Gazetten waren voll von Geschichten über sie. Andererseits verliehen sie aber auch jedem Fest Glamour, und der König und die Königin schienen sie zu favorisieren. Nun, Alex mochte der König ja auch. Vielleicht lag es an ihrer formlosen, entspannten Art. Sie unterwarfen sich nicht dem steifen Protokoll, aber sie waren als Ausländer ja auch entschuldigt. Allerdings hatte Alex ihn in der Öffentlichkeit auch noch nie in Verlegenheit gebracht. In den Augen der Welt konnte er sich glücklich schätzen, sie und ihr Geld geheiratet zu haben. Und umgekehrt hatte sie großes Glück gehabt, in eine so alte Familie hineinzuheiraten. Und damit war zumindest in dieser Hinsicht das Kräfteverhältnis zwischen ihnen beiden ausgeglichen.
Ansonsten waren sie völlig unterschiedliche Charaktere, und unter normalen Umständen hätten sie sicher nie zusammengefunden. Alex war immer mit etwas beschäftigt, setzte alle möglichen Ideen um, während er ganz zufrieden damit war, nichts zu tun. Das Einzige, was ihm wirklich Freude machte und Erfüllung gab, war das Sammeln von Kunstwerken. Als er noch mit Rebecca zusammen gewesen war, hatte er nur ab und zu ein Gemälde erworben, aber nachdem die Affäre mit ihr beendet war, war das Sammeln von Kunst zur Leidenschaft geworden. Stundenlang streifte er durch die Galerien, und bald schon dachte er nicht mehr an Rebecca, und die Erinnerung an sie verblasste.
Eines Tages verliebte er sich in eine Statue, die kleine, fein gearbeitete Statue eines Rehkitzes, die er in einer Londoner Galerie entdeckte. Einen Monat lang ging er zweimal in der Woche dorthin, um sie zu betrachten, wusste jedoch, dass er sich in den nächsten zwei Jahren kein Kunstwerk leisten konnte. Er hätte alles gegeben, um diese Statue zu besitzen. Und eines Nachmittags, als Alex das Haus am Grosvenor Square verlassen hatte, um über das Wochenende aufs Land zu fahren, nahm er ein Diamantenarmband aus ihrer Schmuckschatulle. Sie besaß es schon seit Jahren und trug es nur selten. Er hatte noch nicht einmal Schuldgefühle, als er es verkaufte und mit dem Erlös die Statue erwarb.
Zu Hause stellte er das Rehkitz auf seinen Schreibtisch, betrachtete es stundenlang und stellte überrascht fest, dass er
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