Wer nach den Sternen greift
erleben, aber sie schwor sich, ihr Herz nie über ihren Verstand zu setzen. Sie wusste, was sie von ihrem Leben erwartete, und Liebe hatte damit nur wenig zu tun. Viel wichtiger war es, den richtigen Mann zu heiraten.
Zum alljährlichen Kotillon der Debütantinnen waren die
nouveau riche
nicht zugelassen, und sie wurden zu den anschließenden Bällen auch nicht eingeladen, also veranstalteten sie ihre eigenen Bälle, auf denen sowohl die Söhne der Neureichen als auch die aus alten Familien anwesend waren. Das galt allerdings nur für die Männer. Frauen durften nicht unter ihrem Stand heiraten.
Sophie sollte an ihrem neunzehnten Geburtstag in die Gesellschaft eingeführt werden. Aber schon mit achtzehn Jahren musterte sie die jungen Männer, die ihr zur Verfügung standen, und keiner von ihnen gefiel ihr. Seit sie fünfzehn war, wusste sie, dass sie in eine der alteingesessenen Familien einheiraten wollte, aber keiner von den jungen Männern, die sie umschwärmten, weckte ihr Interesse.
Viel interessanter hingegen war die Ankündigung ihres Vaters, er wolle mit seinen Pferden am Rennen in Saratoga teilnehmen. In Saratoga würden viele der oberen Vierhundert sein, und die jungen Männer dort würden sicher von ihr Notiz nehmen, auch wenn sie noch nicht debütiert hatte. Sophie würde sie sich alle genau anschauen, und vielleicht kamen sie ja nächstes Jahr zu ihrem Debüt.
Sie hatte alles genau durchdacht, als sie nach Saratoga fuhr.
In den Anfängen des siebzehnten Jahrhunderts, als New York City noch Nieuw Amsterdam hieß, waren die von Rhysdales erfolgreiche Kaufleute gewesen. Als New York City dann 1664 britische Kolonie wurde, wurden sie ebenso erfolgreiche Bankiers. Ein Zweig der Familie kontrollierte immer noch einen Großteil des amerikanischen Vermögens durch die Bank, die jetzt seit über zweihundertfünfzig Jahren in Familienbesitz war. Die ersten Familiensitze waren oben am Hudson entstanden, und sie verfielen bereits, als die Abkömmlinge der Familie sich ihre Paläste an der Lower Fifth Avenue errichteten.
Der andere, weniger konservative Zweig der Familie hatte in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts in die Eisenbahn investiert und dafür gesorgt, dass die erste Transkontinentalbahn die Atlantik- und die Pazifikküste miteinander verband. In den letzten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts erstreckten sich Eisenbahnlinien über den gesamten Kontinent und ermöglichten, dass Amerika zu einer Nation zusammenwuchs.
Colin von Rhysdale, mittlerweile siebenundzwanzig Jahre alt, war der älteste Sohn. Anders als seine zwei Brüder, die eine angeborene Abneigung gegen alles besaßen, was mit Energieverbrauch zu tun hatte, arbeitete er in den Finanzinstitutionen seiner Familie. Bis dahin hatte er zwar noch nichts besonders Konstruktives geleistet, aber er lernte mit viel Geschick, mit einem großen Vermögen umzugehen, weil er auf keinen Fall zulassen wollte, dass die Familienfinanzen von unpersönlichen Angestellten geregelt wurden. Seine gegenwärtige Leidenschaft galt jedoch seinem Rennstall.
Im Sommer 1898 fuhr Colin von Rhysdale mit seinem Lieblingspferd nach Saratoga zum Rennen. Trotz seiner siebenundzwanzig Jahre waren ihm seine Pferde wichtiger als das Familienunternehmen. Seine Mutter machte sich jedoch ständig Sorgen, dass ihr nicht so besonders gut aussehender Sohn womöglich nicht um seiner selbst willen, sondern wegen seines Vermögens geliebt würde.
Bisher hatte er sich erst einmal verliebt, als er siebzehn Jahre alt war, und damals hatte sie sich noch keine Gedanken gemacht, aber jetzt war es für ihn an der Zeit zu heiraten. Obwohl er bereits mehr Debütantinnenbälle besucht hatte, als ihm lieb war, und zahlreiche junge Frauen, die als standesgemäße Partie in Frage kamen, kennengelernt hatte, hoffte seine Mutter von ganzem Herzen, dass er eines Tages ein Mädchen finden würde, das ihn nur aus Liebe heiratete. Was ihm an gutem Aussehen fehlte, machte er allerdings durch seinen großen Charme wett, und er hatte schon vielen jungen Damen das Herz gebrochen, die sich einbildeten, ihn zu lieben, aber in Wahrheit nur seine gesellschaftliche Stellung und sein Vermögen meinten.
Das Dumme war nur, dass er sich am liebsten in den Pferdeställen aufhielt, und dort, so dachte seine Mutter, würde er sicherlich keine geeignete Kandidatin für eine Ehe kennenlernen.
Aber genau dort begegnete ihm Sophie Curran, damals achtzehn Jahre alt und fest entschlossen, einen Ehemann
Weitere Kostenlose Bücher