Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer nach den Sternen greift

Wer nach den Sternen greift

Titel: Wer nach den Sternen greift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bickmore
Vom Netzwerk:
er als Einziger im Schloss die Rede von Premierminister Neville Chamberlain, die im Radio übertragen wurde.
    Fünf Tage, nachdem er und Annie in England eingetroffen waren, dreieinhalb Wochen, nachdem Oliver in die eiserne Lunge gelegt worden war, schaltete Frank Curran morgens um elf Uhr fünfzehn das Radio ein und hörte, wie Englands Premierminister verkündete, dass die Deutschen in Polen einmarschiert seien und England sowie Frankreich sich an ihr Versprechen hielten, Polen zu beschützen, und sich demzufolge im Krieg mit Deutschland befänden.
    Frank ballte die Fäuste. Ihm war klar, dass letztlich auch Amerika davon betroffen wäre, auch wenn es zu diesem Zeitpunkt noch niemand wahrhaben wollte.
    Chamberlain fuhr fort, dass sie alles getan hätten, um den Frieden zu bewahren, dass sich jedoch gezeigt habe, dass man auf das Wort des deutschen Führers nicht vertrauen könne. Daher hätten sie beschlossen, einzugreifen, und er wisse, dass das britische Volk besonnen und mutig bleiben würde.
    Die westliche Welt würde nie mehr dieselbe sein. Im Vergleich zu dem, was auf sie zukam, verblasste der Erste Weltkrieg.
    »Ach, du lieber Himmel«, war Clarissas erste Reaktion. »Ihr fahrt wohl besser nach Hause.«
    Allerdings machte sie sich nicht wirklich Sorgen. Es würde sicher nicht auf englischem Boden gekämpft werden. Der letzte Krieg hatte hauptsächlich in Frankreich stattgefunden, und dieses Mal würden die Franzosen die deutschen Truppen schon an der Maginot-Linie zurückdrängen.
    Alex’ erster Gedanke war: »Was bedeutet das für Hugh?« Ihr Sohn war achtzehn, und er wollte diesen Monat in Oxford mit dem Studium beginnen. Hoffentlich war der Krieg bald vorüber, damit seine Ausbildung nicht gefährdet war.
    Aber Hugh ging nicht nach Oxford. Wie fast alle jungen Männer in England meldete er sich freiwillig zum Militär. Er würde nicht zulassen, dass die Nazis in England eindrangen. Der Erste, dem er seinen Entschluss mitteilte, war sein Vater. Oliver konnte mittlerweile wieder sprechen, aber es kostete ihn viel Kraft. Noch wusste er nicht, dass er vielleicht sein ganzes Leben lang in diesem Eisenkäfig liegen musste.
    Auf die Besuche seiner Familie freute er sich jeden Tag am meisten. Lina besuchte ihn mehrmals am Tag, und auch Hugh und Michael schauten täglich vorbei. Zum ersten Mal seit neunzehn Jahren war er wirklich Teil seiner Familie.
    Sogar Annie, die für Oliver nie viel übrig gehabt hatte, kam jeden Morgen zu ihm, und es gelang ihr meistens, ihm ein Lächeln zu entlocken. Frank, der auch kein besseres Verhältnis zu seinem Schwiegerenkel hatte als Annie, berichtete ihm jeden Nachmittag, was in der Welt vor sich ging.
    Alex stellte eine der Krankenschwestern, Louise, als Dauerpflegerin ein und zahlte ihr so viel, wie sie sonst vermutlich in ihrem ganzen Leben nicht verdient hätte. Sie zog aus ihrer düsteren Londoner Wohnung in eines der schönen Zimmer im Ostflügel, wo sich früher das Waisenhaus befunden hatte. Alex forderte sie auf, mit der Familie zusammen zu essen, und Louise, die noch nie an einem Tisch mit Limoges-Porzellan und Sterling-Silber gesessen hatte oder von einem Butler bedient worden war, staunte über solchen Luxus.
    Ben nahm ebenfalls regelmäßig am Abendessen teil, weil er spät am Nachmittag immer bei Oliver vorbeischaute. Zuerst blieb er anschließend nur zum Cocktail, aber mit der Zeit wurde es selbstverständlich, dass er mit ihnen aß. Scully brachte immer noch die gesamte Runde zum Lachen, und Louise liebte vor allem die drei Kinder. Hugh hatte sich mittlerweile zur Royal Air Force gemeldet.
    Alex blickte ihn an und dachte, dass er viel zu jung war. Er sollte nach Oxford gehen und lernen. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass ihre ganze Welt mit einem Schlag zusammengebrochen war. Oliver gelähmt und in der eisernen Lunge, Hugh, der zur Royal Air Force ging und vielleicht auf dem Kontinent kämpfen musste.
    Im Oktober verkündete Hugh, er habe alle Prüfungen bestanden und die RAF habe ihn genommen. Eigentlich wollte er Pilot werden, aber er war auch zufrieden damit, Navigator oder Bombenschütze zu sein. Alex hatte Alpträume, in denen sie ihn vom Himmel stürzen sah. Meistens wachte sie mit einem Ruck auf, bevor sein Körper auf der Erde aufschlug.
    Und Philippe? Was war mit Iris und Philippe und ihren Familien? Telefone, Telegrafenämter und Post funktionierten noch. Philippe fuhr mit dem Auto nach Norden, da die Züge überfüllt waren. Von seinem Haus am Kanal

Weitere Kostenlose Bücher