Wer nach den Sternen greift
Hotelzimmer und spielte Karten mit Tristan, während Herald das malte, was er sah, wenn er aus dem Fenster blickte. Die Gouvernante hatte dafür gesorgt, dass sie ihre Pflichten erledigt hatten, bevor sie sich vergnügen durften.
Alex lachte über eine Bemerkung von Tristan, ohne zu wissen, dass ihr Schicksal nach diesem kurzen Aufenthalt in Großbritannien besiegelt war. Sie glaubte, sie könne selbst über ihr Leben bestimmen, und deshalb lernte sie fleißig, weil sie hoffte, dass ihre Eltern ihr erlauben würden, zur Universität zu gehen, wenn sie die Aufnahmeprüfung bestand.
Sie lachte auf den Partys, die sie im Jahr darauf besuchte, ohne zu wissen, dass diese Partys bald nicht mehr zu ihrem Leben gehören würden. Sie flirtete mit den jungen Männern, mit denen sie nach dem Willen ihrer Mutter verkehren durfte. Erst vor kurzem waren Frauen auf Golfplätzen zugelassen worden, und Alex war eine der Ersten, die diesen Sport ernst nahm, allerdings nicht so ernst, dass sie über ihr schlechtes Handicap nicht lachen konnte. Sie lernte Bridge spielen und erfuhr, welche Kleider man zu welcher Tageszeit tragen durfte.
Alex war beliebt bei den Mädchen in ihrem Alter, und ihre Mütter setzten ihren Namen ganz oben auf die Gästelisten für die Partys der jungen Leute. Für Sophie bedeutete das Erfolg, und sie war erleichtert, dass ihre Tochter die Zurückweisung, unter der sie als junges Mädchen gelitten hatte, nicht erleben musste. Alex’ Manieren waren tadellos, und sie gehorchte ihrer Mutter immer.
Sophie hielt ihre Ehe für gut, auch wenn sie und ihr Mann kaum noch miteinander sprachen. Sein Schlafzimmer lag noch nicht einmal neben ihrem, sondern weiter hinten am Flur. Nur noch äußerst selten schlich er sich über den Flur zu ihr, er kam nie mehr, um ihr vor dem Schlafengehen die Haare zu bürsten, fasste sie nie mehr an, flüsterte ihr nichts mehr ins Ohr und küsste sie auch nicht mehr. Aber Mrs. Colin von Rhysdale war bei den ersten Familien New Yorks gern gesehen, und für Sophie bedeutete das, dass ihre Ehe ein Erfolg war. Sophie war glücklich.
14
I n jenem Sommer war Alex gerade siebzehn Jahre alt geworden.
Zur Überraschung aller verkündete Sophie, dass sie nicht nach Newport fahren, sondern den Sommer auf Franks Besitz in Westbury verbringen würden. Die Kinder freuten sich darüber, zumal vor allem die Jungen es in Newport viel zu steif und streng fanden. In Westbury konnten sie durch den Wald streifen, ausreiten und sogar ohne Begleitung in den Ort gehen. In der Apotheke dort gab es einen Soda-Brunnen, und sie konnten sich Eiscreme-Soda bestellen und durch den Strohhalm Blasen blubbern. Vor allem Herald fand das so lustig, dass er nicht aufhören konnte zu lachen.
In dem weitläufigen Anwesen, das Frank in Westbury gebaut und auf seine Enkelin Alexandra Diana von Rhysdale hatte eintragen lassen, hatte noch nie jemand gewohnt. Als das Haus fertig war, waren Sophie und Colin einmal mit dem Zug hingefahren, um es sich gemeinsam mit Alex anzuschauen. Es war ein hübsches, behagliches Haus, das sich perfekt in die hügelige Landschaft einfügte. Im Frühjahr war es umgeben von unzähligen Veilchen, Narzissen, Krokussen und Hyazinthen. Hartriegel blühte am Rand der Eichen- und Ahornwälder, und hinter dem Hügel hatte Frank Stallungen angelegt, die Platz für zwölf Pferde boten. Im Ort nannte man den Besitz »die Curran-Farm«, weil Frank einem College für Agrarwissenschaften hundert Hektar Land zur Verfügung gestellt hatte. Die besten Kartoffeln auf Long Island stammten aus diesem Experiment. In den Gesellschaftsnachrichten würde das Anwesen aber erst erwähnt werden, wenn Newport nicht mehr das Synonym für Luxus und Dekadenz war und nur noch wenige Leute dorthin fuhren.
In jenem Sommer jedoch, als der Erste Weltkrieg in Europa tobte, fuhr Sophie mit ihren Kindern dorthin. In jenem Frühling starb ihre Schwiegermutter, und Sophie betrauerte sie mehr als alle anderen. Sie hatte Diana über die Maßen bewundert, und sie hatten sich sehr nahegestanden. Als Sophie schließlich die Gerüchte über Colins Geliebte zu Ohren kamen, hatte sie sich an ihre Schwiegermutter gewandt.
Diana war ans Fenster getreten und hatte auf die Fifth Avenue geblickt, an der niemand mehr Villen baute. Sie waren weiter nach oben gezogen, in die Nähe der Currans, und aus ihrem alten Haus war ein Hotel geworden. Die ersten Kaufhäuser entstanden in der Gegend um die Vierzigste Straße.
Diana drehte sich zu Sophie
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