Wer nach den Sternen greift
trauerte sie sehr um sie.
In jenem Sommer lag ihr nicht so viel am gesellschaftlichen Leben, und deshalb beschloss sie, nach Westbury statt nach Newport zu fahren. Sie ließ einen Swimmingpool anlegen, weil sie es dort so friedlich fand. Sie lag lesend auf der großen, überdachten Terrasse, lauschte dem Lachen der Kinder oder genoss die langen, stillen Nachmittage, an denen sie zum ersten Mal seit ihrer Kindheit wieder allein war. Sie ließ die Kinder tun, was sie wollten, und sah sie manchmal nur beim Abendessen.
Da keine anderen Kinder in der Nähe waren, mit denen sie sich treffen konnten, ritten sie häufig aus, auf den Reitwegen, die Frank im Wald hatte anlegen lassen. Alex begann, sich nachmittags bei den Ställen aufzuhalten. Sie liebte den Duft von Heu und Grünfutter, und außerdem fand sie den jungen Pferdeknecht äußerst attraktiv. Harry war der Sohn des Verwalters. Er war im Ort zur Schule gegangen und hatte vor zwei Jahren seinen Abschluss gemacht. Da ihm aufgefallen war, wie gerne der junge Mann mit Pferden umging, hatte Frank ihm angeboten, er könne sich um seine Pferde kümmern. Eigentlich kein besonders interessanter Job für einen Jungen mit Highschool-Abschluss, aber er war besser bezahlt als alles andere, was er in Westbury hätte tun können.
Die meiste Zeit langweilte sich Harry, da er die bestgepflegten Pferde auf ganz Long Island betreute. Als dann jedoch Alex mit ihren siebzehn Jahren auftauchte, wurde er lebendig. Sie hielt sich aufrecht und hatte ein Selbstbewusstsein, wie er es noch nie erlebt hatte. Ihre Haare waren blond, ihre Augen blitzten grün, obwohl sie manchmal auch grau wirkten, und ihre vollen, sinnlichen Lippen luden zum Küssen ein. Unwillkürlich fragte er sich, ob ihm da wohl schon jemand zuvorgekommen war. Ihre Figur war noch nicht voll entwickelt, ließ aber schon die üppigen Formen ahnen, für die sie eines Tages berühmt sein würde, die schmale Taille, die fest gerundeten Hüften, die langen, aufregenden Beine.
Am attraktivsten aber fand er ihr Lachen, das perlend in ihr aufstieg. Ihre Stimme war leise, und manchmal klang es, als ob sie flüsterte. Er fand, sie sah aus wie eine Prinzessin, und er nahm jede Gelegenheit wahr, um mit ihr und ihren Brüdern auszureiten.
Eines Nachmittags unternahmen ihre Brüder etwas, zu dem sie keine Lust hatte, und sie kam allein zu den Stallungen und bat Harry, ihr Pferd zu satteln. Sie beobachtete seine knappen, effizienten Handbewegungen, seine offensichtliche Zuneigung zu dem Tier, die braunen Haare, die ihm in die Stirn fielen und länger waren als die der Jungen in ihren Kreisen, und sagte impulsiv: »Haben Sie vielleicht Lust, mit mir auszureiten?«
Etwas Schöneres konnte Harry sich gar nicht vorstellen, und er sattelte rasch noch ein Pferd. Alex fragte ihn, ob er es eingeritten habe.
»Ja, ich habe Jupiter schon als Jährling geritten.«
»Haben Sie ihm auch seinen Namen gegeben?« Ihr Vater würde ein Pferd nie so nennen.
Harry grinste. »Das ist natürlich nicht sein richtiger Name.«
»Natürlich nicht.«
Er ritt auf dem schmalen Weg voraus, der zwischen den Bäumen entlangführte. Sie war noch nie mit Bediensteten allein gewesen, vor allem nicht mit männlichen. Außer ihren Brüdern, ihrem Vater und ihren Großvätern und vielleicht noch ein paar Verwandten in Denver war sie überhaupt noch nie mit einem Mann allein gewesen.
Schweigend ritten sie hintereinander durch den Wald. Sonnenstrahlen drangen durch das Laub der Bäume, und Vögel zwitscherten. Es war ein warmer, träger Nachmittag.
Kurz darauf ritten sie aus dem Wald und auf die Wiesen, die sich über die sanften Hügel erstreckten. Alex stockte der Atem. »Oh, es ist so schön hier.«
»Möchten Sie ein Rennen veranstalten?«
Alex blickte ihn an. »Ihr Pferd ist viel größer als meines, und außerdem kennen Sie sich hier besser aus als ich.«
»Dann lassen Sie uns einfach nur galoppieren. Auf der anderen Seite der Wiese, in etwa einem Kilometer, beginnt der Wald wieder.«
Sie warf ihm einen Blick zu, trieb ihr Pferd an und galoppierte los. Sie hörte sein Lachen, und schon war er neben ihr. Er hielt mit ihrem Tempo mit, ritt jedoch nie voraus, sondern blieb neben und sogar ein wenig hinter ihr. Offensichtlich kannte er seinen Platz.
Auch am nächsten Nachmittag ging sie zu den Ställen, und Harry wartete bereits mit zwei gesattelten Pferden auf sie. Lächelnd saß sie auf, ohne etwas zu sagen.
»Heute zeige ich Ihnen einen anderen Weg«,
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