Wer nichts hat, kann alles geben
Prozent einfach ihre Wirkung im Zusammenleben mit anderen entfalten zu lassen, zermartern wir uns den Kopf oft genug ausschließlich über die restlichen fünf Prozent: Warum hat er dies zu mir gesagt, wie sage ich ihr jenes? Das führt häufig zu Streitereien, die keine Relevanz haben und deshalb völlig unnötig sind. Da ist es doch manchmal gescheiter, den Kopf in Ruhe zu lassen und damit den Druck rauszunehmen, um das, was sich nicht in Sprache ausdrücken lässt, vertrauensvoll arbeiten zu lassen. Doch wenn man andererseits gar nicht erst in der Lage ist, die für eine Empfindung angemessenen Begriffe zu finden, bleibt einem der Zugang zu sich selbst genauso verwehrt wie zu seiner Umwelt. Dies macht so gut wie jede Autonomie über das eigene Verhalten unmöglich, weil man sich mit niemandem austauschen kann, auch nicht mit sich selbst.
Die Metapher der Landkarte erklärt, wie wichtig es ist, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Wir alle haben von der Welt, die uns umgibt, eine Landkarte im Kopf, von der wir denken, sie sei deckungsgleich mit dem Land selbst. Wenn das stimmt, müsste aber jeder die gleiche Landkarte im Kopf haben. Doch die Wahrheit ist: Das Land mag dasselbe sein, die Landkarten unterscheiden sich aber trotzdem erheblich
voneinander. Jeder hat sein eigenes Bild von dieser Welt im Kopf und bewegt sich darin ausschließlich auf der Grundlage dieser Karte.
Profitiert habe ich von den NLP-Lehren insofern, als ich nicht nur gelernt habe, meine Landkarte in Worte fassen zu können. Ich habe auch begriffen, dass nur der Austausch über die Verschiedenartigkeit der Landkarten Menschen in die Lage versetzt, eine gemeinsame Vorstellung von dem Land zu entwickeln, in dem sie leben. Ich nahm auf einmal wahr, dass es auch andere Weltbilder gibt. Bis dahin war ich immer davon ausgegangen: So wie ich ticke, ticken die anderen auch. Doch wenn ich mich ausdrückte, wie ich es gewohnt war, musste ich mit Verwunderung feststellen : Es gibt nur wenige, die mich verstehen.
Aber einen Moment, bitte schön: Hatte ich dieses Seminar nicht mit dem Ziel begonnen, mich beim Segelfliegen zu verbessern? Was nutzte mir dafür das Wissen um mentale Länder und ihre Landkarten?
In der Tat stellte sich nach den ersten Seminarwochenenden zunehmend heraus, dass mich die Inhalte weniger im Cockpit meines Segelflugzeugs beschäftigten als vielmehr auf meinem Bürostuhl oder abends auf dem Sofa. Je mehr ich über meine Landkarte nachdachte, umso mehr war ich motiviert, dafür die richtigen Begriffe zu finden. Es war für mich mitunter so mühsam, als müsste ich eine neue Sprache lernen. Ganz im Sinne des Rabeder’schen Mottos aber, dass alles, was möglich, auch erreichbar ist, kniete ich mich auch in diese Herausforderung hinein. Ich studierte
die Seminarunterlagen und las Bücher, die nach der Lektüre mit Markierungen und Unterstreichungen übersät waren. Langsam spürte ich, dass ich auch in der Luft davon zu profitieren begann.
Die Gründer des NLP haben nichts anderes getan, als sich bei den herausragenden Therapeuten ihrer Zeit, wie zum Beispiel Milton Erickson, nach deren Methoden zu erkundigen und die erfolgreichen zu einem neuen Programm zu bündeln. Ericksons Technik beispielsweise bestand darin, seine Patienten mit bestimmten Sprachmustern in eine Art Trance zu führen, um ihnen Veränderungsarbeit zu erleichtern. So lernte ich, mich vor dem Start durch die Verwendung bestimmter Begriffe in einen Zustand zu versetzen, der es mir ermöglichte, meine Aufmerksamkeit zu erhöhen. Ohne Zweifel aber hätte ich die Gebühren für das Seminar zurückverlangen müssen, wenn sich der Erfolg nur an der Segelfliegerei festgemacht hätte. Die viel bedeutendere Auswirkung war, dass es mir ganz allgemein allmählich besser ging. Ich lernte, bestimmte Verhaltensmuster neu zu deuten, sie besser zu verstehen und deshalb anders mit ihnen umzugehen.
Es lagen somit bereits etliche Jahre des »Mindbuildings« hinter mir, als ich 1997 nach Frankreich reiste, um an meiner zweiten Weltmeisterschaft teilzunehmen. Im Laufe der Zeit waren noch weitere mentale Methoden dazugekommen, progressive Muskelentspannung zum Beispiel und autogenes Training. Ich fühlte mich gut gewappnet für diesen Wettbewerb und belegte
am Ende den 15. Platz. Das war ein respektables Ergebnis, gemessen daran, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen Piloten erst mit Anfang dreißig überhaupt mit dem Wettbewerbsfliegen begonnen hatte. Mir mangelte es trotz allen
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