Wer nie die Wahrheit sagt
interessiert. Was soll das, zum Teufel? Was hat das hiermit zu tun?«
»Tja, weißt du«, fuhr Savich fort, »zuerst konnten wir uns nicht denken, warum du dir ausgerechnet Lily hättest aussuchen sollen, wenn dein Motiv darin bestand, sie zu töten. Wofür? Dann erkannten wir, dass du von Großmutters Gemälden wusstest. Lily besitzt acht Sarah Elliotts, und die sind eine Menge wert, wie du sehr wohl weißt.«
Zum ersten Mal verspürte Savich einen Hauch von Alarm. Tennyson sah furchtbar aus. Er schäumte vor Wut, sein Gesicht war hochrot angelaufen, seine Kiefern mahlten. Savich machte sich sicherheitshalber auf einen Angriff gefasst.
Doch Tennyson schlug nur mit dem Griff seines Messers auf den Tisch, einmal, zweimal und dann noch ein drittes Mal, ganz besonders hart. »Du Bastard! Ich habe Lily nicht geheiratet, um an die verdammten Bilder ihrer Großmutter ranzukommen! Das ist absurd. Raus! Verschwindet aus meinem Haus!«
Lily erhob sich langsam.
»Nein, Lily, du nicht. Bitte setz dich hin. Hör mir zu, du musst. Mein Vater und ich wissen, was für ausgezeichnete Arbeit sie im Eureka Art Museum leisten. Das Museum hat einen exzellenten Ruf. Als du mir erzählt hast, dass Sarah Elliott deine Großmutter war …«
»Aber das wusstest du bereits, Tennyson. Du wusstest es, bevor du mich kennen lerntest. Und dann hast du ganz überrascht getan, als ich’s dir erzählte. Du hast so erfreut getan, dass ich etwas von ihrem unglaublichen Talent geerbt habe. Du hast dir so gewünscht, dass ihre Bilder hierher kämen, nach Nordkalifornien. Du wolltest sie hier haben, damit du sie in Reichweite hast, damit du über sie bestimmen kannst. Damit du sie, wenn ich tot wäre, ohne Schwierigkeiten in die Hände bekämst. Oder war es dein Vater? Ist er so scharf auf die Bilder? Wie nun, Tennyson?«
»Schweig, Lily, das ist ja alles gar nicht wahr. Die Gemälde sind große Kunstwerke. Wieso sollte sie das Chicago Art Institute haben, wenn du jetzt hier lebst? Außerdem ist die Verwaltung der Bilder viel leichter, wenn man sie in der Nähe hat.«
»Welche Verwaltung?«
Tennyson zuckte mit den Schultern. »All die Anrufe, die Anfragen von anderen Museen, die die Bilder gerne kurzzeitig ausstellen würden, die Anfragen von kaufinteressierten Sammlern, dann die Organisierung kleinerer Restaurierungsarbeiten, unsere Zustimmung zur Auswechslung eines Rahmens. Endlose Steuerfragen. All so was.«
»Davon war nie die Rede, bevor ich dich heiratete, Tennyson. Ich musste nur einmal im Jahr den Vertrag mit dem Museum verlängern, weiter nichts. Warum hast du mir nichts von dem Verwaltungskram erzählt? Bei dir klingt das, als wäre es ein enormer Haufen Arbeit.«
Klang da ein Hauch von Sarkasmus heraus?, fragte sich Savich und hoffte, dass es so war.
»Es ging dir nicht gut, Lily. Ich wollte dich damit nicht auch noch belasten.«
Auf einmal geschah etwas Seltsames: Lily sah ihren Mann nur noch als grauen, beinahe substanzlosen Schatten, dessen Mund sich bewegte, ohne jedoch wirklich etwas zu sagen. Kein Mann, bloß ein Schatten, und Schatten konnten einem nicht wirklich wehtun. Lily sagte, und sie lächelte dabei: »Wie Dillon bereits sagte, bin ich reich, Tennyson.«
Savich konnte sehen, dass sein Schwager verzweifelt versuchte, ruhig zu bleiben, logisch und vernünftig zu argumentieren, sich nicht in die Defensive drängen zu lassen, Lily nicht zu zeigen, wie er wirklich war. Ein faszinierendes Schauspiel. Konnte ein Mensch derart gut lügen, derart überzeugend schauspielern? Savich wusste einfach keine Antwort darauf.
Schließlich sagte Tennyson: »Ich war immer der Auffassung, dass dir die Bilder lediglich anvertraut wurden. Dass sie nicht dir gehören, dass du nur ihre Hüterin bist, bis du stirbst und eins deiner Kinder diese Aufgabe übernimmt.«
»Aber du warst doch während der letzten Monate für die Verwaltung der Bilder verantwortlich«, sagte Lily. »Wie hättest du nicht wissen können, dass sie mir gehören, ganz und ausschließlich mir?«
»Ich bin einfach davon ausgegangen, das habe ich doch schon gesagt. Niemand hat mir je was anderes gesagt, nicht mal der Kurator, Mr. Monk. Du hast ihn doch kennen gelernt, Lily, hast gesehen, wie sehr er sich freute, die Bilder ausstellen zu dürfen.«
Savich nippte an dem heißen Tee, den Mrs. Scruggins ihm eingeschenkt hatte. »Wir alle haben unsere Bilder von unserer Großmutter geerbt«, sagte er. »Sie gehören ganz legal uns.« Er wusste, dass Mrs. Scruggins die
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