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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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und blickte ihm dabei geradewegs in die Augen, »welche Tabletten hast du mir all die Monate gegeben?«
    Er heulte laut auf, heulte buchstäblich auf wie ein verwundetes Tier, ein verzweifelter, panischer Laut, voller Wut und Hoffnungslosigkeit. Schwer atmend stieß er hervor: »Ich habe nur versucht, dich zu heilen. Ich hab’s versucht, weiß Gott, und jetzt willst du auf einmal nur noch auf diesen Bastard von Bruder und seine Frau hören und mich verlassen. Verdammt, ich hab dir doch bloß Elavil gegeben!«
    Lily nickte. »So scheint es, und Beweise haben wir auch nicht, nicht genug jedenfalls, um dich vor den Sheriff zu bringen. Aber dieser Sheriff ist sowieso nur ein Witz, oder? Wenn ich daran denke, wie sehr er sich bemüht hat, Beths Mörder zu fangen.«
    »Ich weiß, dass er getan hat, was er konnte. Wenn du bei Beth gewesen wärst, wärst du vielleicht eine bessere Zeugin gewesen, aber du …«
    Sie ignorierte seine Worte und sagte: »Wenn wir Beweise finden, dann wird selbst Sheriff Dumpfbacke dich wegschließen müssen, Tennyson – egal, was du oder dein Vater sagen, egal, wie viel Geld ihr ihm in die Taschen gesteckt habt, egal, wie viele Stimmen ihr für ihn gekauft habt – bis wir ein paar anständige Gesetzeshüter hier nach Hemlock Bay bekommen. Die Wahrheit ist, ich würde dich sogar verlassen, wenn du deine erste Frau nicht umgebracht hättest, wenn du überhaupt nicht versucht hättest, mich umzubringen – und weißt du, warum? Weil du mich belogen hast, Tennyson. Von Anfang an hast du mich belogen. Du hast Beths Tod dazu benutzt, mir die schwersten Schuldgefühle einzureden, hast immer wieder aufs Knöpfchen gedrückt, hast mich manipuliert – das versuchst du immer noch –, und du hast mir höchstwahrscheinlich Tabletten gegeben, die meinen Zustand verschlimmerten, anstatt ihn zu verbessern, damit ich mich noch schuldiger fühle. Aber ich bin nicht schuld, Tennyson. Beth wurde getötet. Aber nicht von mir, das ist mir jetzt klar. Hattest du schon vor, mich zu töten, als du mir den Ring an den Finger stecktest?«
    Er hatte den Kopf in den Händen vergraben, schüttelte ihn fassungslos, sah niemanden mehr an.
    »Ich habe mich heute gefragt, Tennyson – hast du Beth vielleicht auch umgebracht?«
    Sein Kopf schoss hoch. »Beth umgebracht? O Gott, nein!«
    »Sie war meine Erbin. Wäre ich gestorben, hätte sie die Bilder bekommen. Aber nein, ich glaube nicht mal, du könntest so schlecht sein. Dein Vater vielleicht, vielleicht auch deine Mutter, aber du nicht, glaube ich. Aber was weiß ich schon? Ich hatte bei Männern ja noch nie eine glückliche Hand. Schau dir nur an, zu was ich es bis jetzt gebracht habe – zwei Versuche, und das kommt dabei raus. Ja, mein Urteilsvermögen ist wirklich beschissen. He, vielleicht liegt’s an meinen Buchmacher-Genen, die sind meinem gesunden Menschenverstand im Weg. Nein, du hättest Beth nicht töten können oder töten lassen. Vielleicht finden wir ja was bei deinem Vater. Wir werden sehen.
    Leb wohl, Tennyson. Mir fehlen die Worte, um dir zu sagen, was ich von dir halte.«
    Sowohl Savich als auch Sherlock hatten geschwiegen. Ihre Blicke waren zwischen den beiden, die einander an den Längsseiten des Tisches gegenüberstanden, hin- und hergewandert. Tennyson war kreidebleich, seine Halsschlagader pulste nach wie vor heftig. Er umklammerte mit beiden Händen die Tischkante. Er sah nicht mehr aus wie er selbst, als hätte er den Boden unter den Füßen verloren, unter allem, woran er bisher geglaubt hatte.
    Lily dagegen wirkte vollkommen ruhig, herrlich ruhig. Man sah ihr kaum an, dass sie eine schwere Operation hinter sich hatte. Sie sagte: »Dillon und Sherlock werden morgen, wenn du in der Praxis bist, herkommen und alle meine Sachen packen, Tennyson. Wir drei werden die Nacht in Eureka verbringen.« Sie wandte sich um, spürte wieder das Ziehen in ihrer Wunde und fügte hinzu: »Bitte zerschlag nicht meine Sachen, und zerreiß nicht meine Bilder, Tennyson, denn sonst müsste ich meinen Bruder oder meine Schwägerin bitten, dir die Fresse zu polieren. Ich kann die beiden ohnehin kaum mehr zurückhalten.«
    Sie nickte ihm zu, dann wandte sie sich um. »In zehn Minuten können wir gehen, Dillon.«
    Mit hoch aufgerichtetem Kopf und geradem Rücken, als hätte sie überhaupt keine Fäden mehr im Bauch, verließ sie das Esszimmer. Lily sah Mrs. Scruggins in der Tür zur Küche stehen. Die Haushälterin schmunzelte, als Lily forsch an ihr vorbeimarschierte

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