Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
Flasche Champagner kaufen.
Ein Obdachloser lag am Treppenabsatz, Bente wäre fast gestolpert. Sie kramte nach ihrem Portemonnaie und legte ihm einen 5-Euro-Schein auf die Brust. Der Mann sah sie unbewegt an, als wüsste er nichts damit anzufangen. Bente ging schnell weiter.
Ein neues Auto musste sein, es lohnte sich einfach nicht mehr, den Peugeot zu reparieren. Und der Schornstein, der fiel ihnen bald auf den Kopf. Vielleicht konnten sie noch einen kleinen Kredit aufnehmen und einen Kaminofen besorgen. Das hatten sie jetzt lange genug aufgeschoben.
Vor dem Einkaufszentrum sah sie Schneider die Stufen herunterkommen. Sie überlegte eine Sekunde, sich hinter einem Bücherständer zu verstecken. Aber dann war es ihr zu dumm, schließlich hatte er ihr nichts vorzuwerfen. Sie warf ihr langes dunkles Haar in den Nacken und ging auf den Eingang zu. Schneider stand auf der untersten Stufe zum Bürgersteig und blinzelte ins Licht wie eine Laborratte, die in die Natur ausgesetzt wurde. Bente blieb vor ihm stehen und wollte ihn grüßen, etwas sagen, genieß den Tag, zum Beispiel oder, komisch sieht das aus hier, am hellen Nachmittag, oder etwas in der Art. Aber sie brachte keinen Ton heraus.
Schneider sah sie an. Langsam verzog er seinen Mund – er lächelte. Auch er schien nach Worten zu suchen. Dann endlich nickte er ihr wortlos zu und ging an ihr vorbei auf den Bürgersteig. Bente blieb stehen und sah ihm hinterher. Bald war Schneider im Gewühl der Menschen verschwunden. Bente drehte sich um und ging langsam die Stufen hoch. Sie fuhr mit dem Fahrstuhl in die Funkhauszentrale im fünften Stock.
Brandenburg, Kreisstadt Müncheberg.
Kreiskrankenhaus
S ie waren durch das ganze Gebäude gelaufen und hatten jeden nach einem zehnjährigen Jungen in einem hellblauen Anorak gefragt. Sie schwärmten aus und trafen dann wieder in der Halle zusammen. Die Polizisten sprachen in ihr Funkgerät, und Emma versuchte, das aufkommende Panikgefühl zu unterdrücken. Heike hatte rote Flecken im Gesicht und lief ernst und verbissen immer weiter.
Sie fanden ihn schließlich in der Krankenhauskapelle. Er kniete vorne neben einer Muttergottesstatue und wandte nicht den Kopf, als sie die Tür aufrissen und bei seinem Anblick erleichtert halb weinend, halb lachend nach Luft schnappten. Heike lehnte sich an die Tür. Sie sah aus, als wenn sie gleich wieder anfangen würde zu weinen, aber sie atmete tief durch und wischte sich über die Stirn.
Emma stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab und versuchte wieder Luft zu bekommen. Dann gab sie Entwarnung bei den Polizisten und dem Krankenhauspersonal. Nach einer Weile kam sie zurück. Sie blieb dicht vor Heike stehen und sagte:
»War Rocco Samstagnacht bei Lukas Brinkmann?«
Heike wich ihrem Blick aus. Sie war bleich im Gesicht, sagte aber nichts. Emmas Handy vibrierte. Sie warf einen Blick auf das Display, es war Bente. Bevor sie den Anruf annehmen konnte, hatte Heike sie am Arm gepackt. Sie flüsterte: »Bitte, sag niemandem, wo wir sind!«
Emma sah sie nachdenklich an. Ihre Mailbox sprang an, aber Bente hinterließ keine Nachricht. Wenige Sekunden später kam die SMS – Ruf mich an, ist wichtig. Bente.
Heike ließ ihren Arm los. Sie ging ein paar Schritte in die Kapelle hinein und setzte sich auf die hinterste Bank. August kniete noch immer vorne. Er hatte sich nicht umgedreht. Emma ging zu Heike, setzte sich in die Reihe vor ihr und drehte sich zu ihr um.
»Hast du jemanden, bei dem ihr euch verstecken könnt?«
Heike sah an ihr vorbei auf August. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf und flüsterte:
»Die kennen sich doch alle. Von denen hält keiner dicht.«
Emma seufzte. Heikes Lippen zitterten. »Emma, ich hab so Angst. Was sollen wir denn machen?«
Emma sah sie an und überlegte. Dann stand sie auf. »Warte mal kurz, ich geh mal eben telefonieren.«
Heike sah sie erschrocken an. Emma hob beruhigend die Hand. »Keine Sorge. Ich komme gleich wieder.«
Emma suchte sich draußen einen Platz auf breiten Holzbänken zwischen Patienten in Bademänteln und telefonierenden Besuchern. Fast alle rauchten. Die Kinder hielten statt einer Zigarette riesige Eiswaffeln in den Händen, Lohn für das Ausharren am Krankenbett.
Emma wählte Helenes Nummer. Sie war zuhause und reagierte erfreut auf den Anruf ihrer ältesten Tochter. Emma erzählte ihr knapp von Heike und August und bat ihre Mutter, sie für ein paar Tage aufzunehmen. Helene zögerte nicht lange und sagte, sie
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