Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
um. Im Halbdunkel des Kirchenschiffes saß in einem speckigen Ledersessel eine hochgewachsene schmale Gestalt.
Leise schrie Brinkmann auf. Das brennende Streichholz hatte seinen Daumen erreicht. Er fluchte und schüttelte das Feuer aus.
Der alte Mann in dem Sessel lachte heiser. »Ein ehema liger Pastor, der in einem ehemaligen Gotteshaus flucht. Armes Deutschland.«
Missmutig starrte Brinkmann auf seinen verletzten Daumen.
»Was hast du hier verloren, Blattner?«
Der alte Mann lehnte sich mit einem Stöhnen an die fleckige Rückenstütze.
»Ich bete, Hans. Für deinen Sohn Lukas. Wenn der eigene Vater keinen Glauben mehr hat.«
Abrupt drehte sich Brinkmann wieder zum Sockel um und zündete mit einem neuen Streichholz die Kerze an.
Blattner kam mühselig aus dem tiefen Sessel hoch. Dabei stützte er sich schwer auf einen eleganten schwarzen Stock. Umständlich machte er ein Kreuzzeichen. Dann seufzte er und schaute nach vorn, dorthin, wo das Kreuz gehangen hatte.
»Du hättest nicht aufgeben dürfen, Brinkmann.«
Brinkmann schwieg. Blattner ging langsam auf ihn zu. Das Tock Tock seines Stocks hallte auf dem Steinfußboden. Auf halbem Weg machte er eine Pause. Er atmete heftig.
»Die Kirche gehört doch zu Deutschland, Menschenskind!«
Brinkmann sah hoch.
»Sag das mal deinen Leuten! Wer macht denn hieraus einen Jugendclub?«
»Wenn du nicht so störrisch gewesen wärst, dann hätten wir nie …«
»Du hast deinen Laden nicht mehr im Griff, Blattner!«
Der alte Mann blieb stehen. Er nickte versonnen, dann sah er hoch zum Orgelboden.
»Wie er Bach spielen konnte.«
Pastor Brinkmanns Wut verrauchte. Ihm wurde schwindelig. Der alte Mann seufzte tief.
»Ich hätte alles gegeben, alles, Brinkmann, für so einen Jungen.«
Brinkmann tastete mit der Hand nach dem Sockel. Plötzlich sah er sie beide da stehen, zwei Männer wie zwei alte müde Hunde, die sich um einen faulen Knochen stritten.
»Ich will nicht mehr, Helmut. Ich kann nicht mehr. Mach, was du willst.«
Der Mann mit dem Stock trat noch näher an Brinkmann heran.
»Dann komm zu uns, Hans. Das ist eine historische Chance! Die Kirche soll wieder christlich werden, und den anderen Kram verlegen wir ins Pfarrhaus. Vergiss die alten Streitereien. Uns verbindet doch etwas! Dein Junge hat das erkannt. Wir brauchen dich! Ich brauche dich!«
Brinkmann lachte freudlos. Er löschte die Kerze und steckte sie zurück in die Tasche. Dann ging er an dem alten Mann vorbei auf den Ausgang zu. An der Tür drehte er sich noch einmal um.
»Du bist ein Teufel, Helmut. Aber meine Seele bekommst du nicht.«
Der alte Mann rief ihm hinterher:
»Bald hast du hier nichts mehr zu sagen, Hans! Du bist jetzt ganz allein!«
Den Vormittag über hatte es getaut. Die Vorderräder des Audis versanken tief im Matsch, als Emma den Wagen vom Sender auf dem Zeltplatz parkte. Sollte es anfangen zu reg nen, würden die Räder durchdrehen. Sie beschloss, sich darüber keine Gedanken zu machen, schnappte sich ihre Tasche vom Beifahrersitz und stieg aus.
Die zum Parkplatz umfunktionierte Weide war jetzt um die Mittagszeit schon gut gefüllt. Emma sah verschiedene Kennzeichen aus der Gegend, für das Märkische Oderland MOL , LOS für Oder-Spree und BAR für Barnim. Ein paar Autos trugen das Berliner B im Kennzeichen.
Im Imbisswagen brutzelten die Friteusen, ein Mann im weißen Kittel kassierte mit hochroten Wangen von einem Paar das Geld für zweimal Pommes. Auch der Schießstand und die Losbude hatten jetzt das Visier hochgeklappt und präsentierten ihr Angebot an Plastikblumen und grellen Plüschtieren. Ein Familienvater kaufte gerade zum Jubel seiner Kinder eine Unmenge von Losen. Sie zogen sich in eine Ecke des Standes zurück, um dort in Ruhe die kleinen Zettel aufzurollen.
Mitten auf dem Platz war ein Mann dabei, einen Wahlstand der Rechten Liga aufzubauen. Ein Sonnenschirm mit dem Parteilogo stand bereits, auf dem Tapeziertisch ordnete er Flyer, auf denen die charakteristische Frakturschrift prankte, Kulis und Fähnchen.
Schräg hinter dem Zelt richtete sich langsam eine Hüpfburg auf. Ein paar Kinder sprangen ungeduldig vor dem Eingang der Plastikburg zwischen den Pfützen hin und her und kreischten, wenn der warme Luftstrom des Gebläses in ihr Gesicht fuhr. Schon standen die zwei rot-gelben Türme des gigantischen Spielzeugs, und ein kleines Mädchen klatsche vor Vorfreude in die Hände.
Vom Grillplatz wehte ein würziger Duft herüber. Zwei Schweine brutzelten an
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