Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
Johann. Leg es aus der Hand, wenn du nicht mehr schneidest.«
Johann ließ es gleichgültig geschehen. Er schüttete die geschnittenen Tomaten in die Salatschüssel. Dann wischte er sich die Hände an seinem Pullover ab und beugte sich mit dem Oberkörper über den Tisch.
»Du, Papa …?«
Karin kam jetzt wieder in den Garten. In der Hand hielt sie einen Eimer mit Mulch. Ist doch schon längst erfroren, das meiste, dachte Blume. Er warf einen kurzen Blick auf seinen Sohn.
»Was ist?«
Karin schüttete den Mulch auf das Rosenbeet rund um die kahlen Sträucher. Blume musste sich recken, um sie noch weiter beobachten zu können. Johann zupfte an seinem Pulloverärmel.
»Papa, was machen wir heute?«
Er drehte sich zu ihm um.
»Nach dem Essen muss ich leider wieder weg. Ich muss noch arbeiten.«
Johanns Blick verdunkelte sich. Er glitt zurück auf seinen Platz, nahm das Messer und stach auf die Tomaten in der Schüssel ein.
Blume seufzte.
»Nächstes Wochenende nehm ich mir frei. Und dann machen wir einen Ausflug, versprochen!«
Johann sah hoch.
»Du und ich und Mama?«
Blume zögerte, dann schüttelte er den Kopf.
»Wir beide mit Emma. Sie bekommt Besuch von ihrer kleinen Schwester, und ich dachte …«
»Nö, keine Lust.«
Johann beugte sich wieder über die Schüssel und bearbeitete das Gemüse. Blume schloss sanft seine Hand um die Finger seines Sohnes.
»Wir reden ein andermal darüber.« Er strich über die Finger seines Sohnes.
»Das ist der Daumen …«
Johann lächelte.
»Der schüttelt die Pflaumen …«
Blume kniff zart in die Fingerkuppen. Johann quietschte vor Begeisterung.
»Der hebt sie auf, der legt sie in den Korb, der schleppt sie nachhaus …«
Karin klopfte von draußen gegen die Terrassentür. Blume ließ die Hand seines Sohnes noch nicht los.
»Und wenn du willst – eine Stunde kann ich schon noch bleiben.«
Johann wand sich aus dem Griff seines Vaters, stand von seinem Stuhl auf und lief zur Terrassentür. Karin lächelte ihrem Sohn durch die Scheibe entgegen. Johann riss die Tür auf, ein Schwall kalter Luft wehte herein. Karin kam rein, zog sich die Gartenhandschuhe von den Fingern und wuschelte ihrem Sohn durch die Haare. Sie ging durch die Küche in den Flur und hinterließ dabei eine Spur ihres Duftes und dreckige Fußabdrücke auf dem Holzboden. Blume kippte die fertig geschnittene Paprika in die Schüssel. Johann schloss wieder die Terrassentür und drehte sich zu seinem Vater um.
»Wir können uns doch nach dem Essen aufs Sofa schmeißen und eine DVD gucken.«
Blume stand auf und spießte eine Nudel aus dem kochenden Topf auf eine Gabel. Er verbrannte sich die Zunge, als er probierte.
»Mmmh, mh, okay.«
Mit Gepolter zog sich Karin im Flur die Stiefel von den Füßen. Blume goss das heiße Wasser in die Spüle und schreckte die Nudeln ab. Karin kam wieder in die Küche und nahm im Vorbeigehen drei Teller aus dem Geschirrschrank. Johann kletterte wieder auf seinen Stuhl und zog die Salatschüssel an sich. Mit dem Finger suchte er sich ein Stück Paprika heraus. Blume verteilte die Nudeln. Johann sagte:
»Ich such den Film aus. Wie früher. Und du sitzt in dem blauen Sessel und Mama auf dem Sofa. Und es gibt Kakao. Ok?«
Ok, murmelte Blume. Er spielte mit seiner Gabel. Karin vermied ihn anzusehen. Schweigend aßen sie die Nudeln.
Brandenburg, Hofsmünde
P unkt zehn Uhr schloss Pastor Brinkmann die Kirchentür auf. Er trug keinen Talar. Kein Messdiener schritt voran, und keine Gemeinde erhob sich mit raschelnden Kleidern. Keine Orgel spielte, und keine Kerze brannte. Es war Sonntagmorgen zehn Uhr, und Hans Brinkmann betrat, wie er es nun schon seit über vierzig Jahren tat, seine Kirche.
Zögerlich ging er über den Mittelweg und blieb vor dem rostigen Kerzenhalter stehen. Es roch nach kaltem Rauch. Vielleicht waren ein paar der Jugendlichen heimlich letzte Nacht hier gewesen. Die Gemeinde hatte die Erlaubnis, den Kirchenraum für Gruppen zu öffnen, aber noch musste er davon in Kenntnis gesetzt werden. Er wischte eine ausgedrückte Zigarettenkippe von einem kahlen Sockel. Die Muttergottes, die ihn hier angelächelt hatte, war bereits verpackt auf dem Weg nach Süddeutschland. Als ob die da noch eine bräuchten, dachte er. Brinkmann zog aus der Tasche seiner Cordhose eine schlichte weiße Kerze und stellte sie auf den Sockel. Seine Hand zitterte, als er das Streichholz anzündete. Auf einmal spürte er, dass er nicht allein war. Mit einem Ruck drehte er sich
Weitere Kostenlose Bücher