Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
zu, die auf dem roten Gästesofa Platz genommen hatten. Drinnen beim Moderator saßen der Schauspieler und seine Ehefrau und erzählten von den Tücken ihres Ehealltags. Die Frau auf dem Sofa, vermutlich die Agentin des Schauspielers, hatte ihre langen blondierten Haare mit einer Sonnenbrille hochgeschoben und tippte etwas in ihr Smartphone, der Mann blätterte in einer Illustrierten. Keiner der beiden achtete auf das Interview im Studio.
Emma setzte sich neben Susanne auf den Technikerplatz und schaute nach vorne durch die Scheibe. Der Schauspieler erzählte gerade etwas von Zahnpastatuben und Fernsehvorlieben. Seine Frau lachte perlend, in der Hand hielt sie das gemeinsame Buch. Die Moderatorin schaute konzentriert auf ihr Manuskript und stellte ihre Fragen. Nicht erwähnt wurden bei dem Gespräch die Gerüchte um seine außerehelichen Affären, wechselseitige Alkoholeskapaden bei öffentlichen Auftritten und ihr offensichtliches Facelifting. Emma wurde bewusst, welchen Preis diese beiden Menschen für ihren Erfolg zahlten. Sie taten ihr leid, und sie lächelte in ihre Richtung, was der Schauspieler registrierte und sogleich erfreut erwiderte.
Susanne beugte sich zu ihr und fragte leise:
»Soll ich was reinstellen?«
Emma nickte und zeigte ihr auf dem Monitor die zwei Interviewtakes aus ihrem Gespräch mit der Rektorin, die sie verwenden wollte. Im ersten Take ging es um die Rechtsradikalität des Lehrers und wie die Rektorin versucht hatte, den Mann aus dem Schuldienst zu entfernen. Der zweite Ton sollte belegen, wie die Schule konkret mit dem Todesfall umging – die Vertretung durch eine erfahrene Lehrerin und das Vorhaben, einen Gottesdienst abzuhalten.
Susanne schob die beiden Interview-Ausschnitte in den Live-Speicher und aktivierte sie. Jetzt konnte die Moderatorin sie im Gespräch mit Emma abfahren.
Gerade sagte die Ehefrau des Schauspielers:
»Er ist wirklich ein Scheusal. Aber wissen Sie, wenn ich ihn nicht hätte, ich wäre todunglücklich.« Dann lachte sie wieder die Tonleiter hoch, und die Moderatorin wechselte einen gequälten Blick durch die Scheibe mit Susanne. Emma starrte auf die Schauspielerfrau, die gerade ihre langen seidigen, sicher gut duftenden Haare zurückwarf. Ihr Satz hatte sie an etwas erinnert, das sie in der Vorbereitung auf das Livegespräch fast vergessen hatte. Sie klickte den Computer vor ihr an und ging auf die Homepage der Schule.
Das Gespräch war zu Ende, der Schauspieler und seine Frau verließen das Studio. Die Frau mit der Sonnenbrille stupste den Mann neben sich an und stand auf. Sie schien es eilig zu haben und drängte ihre Schützlinge nach ein paar freundlichen Worten aus dem Regieraum. Susanne war aufgestanden und hatte ihnen an der Tür die Hände geschüttelt. Ungefragt hatte die Frau des Schauspielers ihr das Buch in die Hände gedrückt, das sie nun vor sich auf das Regiepult warf. Emma hatte nur kurz den Kopf gehoben und in die Richtung der Gäste gelächelt. Sie scrollte durch die Team-Seite der Schule. Dann hatte sie gefunden, was sie suchte und klickte auf das Druckersymbol. Susanne warf einen Blick auf das Bild, das sich langsam aus dem Drucker schob.
»Ist das die Rektorin? Wow, sieht die gut aus.«
»Nein.«
Emma sah nachdenklich in die grünen Augen vor ihr auf dem Bild. Dann drehte sie sich zu Susanne um.
»Das ist eine Lehrerin von der Schule.«
»Hat sie was damit zu tun?«
»Weiß noch nicht.«
Die Moderatorin hatte nach der Musik den Aufruf zur Buchverlosung gestartet, und jetzt blinkten die Telefone im Regieraum. Susanne nahm den ersten Hörer entgegen und notierte sich Namen und Anschrift. Die Moderatorin kün digte eine Doppelfolge Musik an. Dann erlosch die rote Lampe auf dem Pult vor ihr, und sie winkte Emma herein. Emma legte das ausgedruckte Blatt in ihre Tasche und ging mit ihrem Manuskript ins Studio.
Berlin, Schöneberg
S eit ihrer Rückkehr von dem Spaziergang gestern hatte sie es vermieden, das Wohnzimmer zu betreten. Das Durcheinander von zerfledderten Büchern, aufgeplatzten Sofakissen und zerbrochenen Keramiken war sowieso kaum begehbar. Der Anblick des zerstörten Klaviers tat ihr weh, aber es gab ihr auch das Gefühl eines Triumphes. Sie hatten nicht gefunden, was sie suchten, und sie würden es nie finden, wenn sie, Gesine Lorenz, sie nicht zu dem Versteck führen würde. Dieses Gefühl der Überlegenheit überwog ihre Angst. Sie wusste, dass sie stark genug war, um die Bedrohung auszuhalten.
Im Schlafzimmer hatte
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