Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
sofort im Speicher des Ü-Wagens. Wenn es schnell gehen musste, wurden diese Töne bevorzugt genommen, der Techniker sparte sich das Überspielen. Der Reporter mit dem angeschlossenen Aufnahmegerät leitete automatisch die Sendung, während die übrigen Reporter ihm zuarbeiteten. Emma wusste das natürlich, aber sie sagte nichts und zog ihr mobiles Aufnahmegerät aus der Tasche. Während sie einen neuen Folder als Audiodatei anlegte, griff sie mit der linken nach dem Mohnkuchen, der neben den Reglern auf dem Mischpult stand. Kauend fragte sie:
»Ich dachte, du magst keine Nazis auf unserer Welle.«
»Das wird auch so bleiben.«
Bente nahm das klobige Funkgerät des Ü-Wagens und überprüfte den Akku-Status.
»Ich kenne die Tricks der Jungs besser als du.«
Emma hörte auf zu kauen. Erstaunt sah sie die Kollegin an. Bente erwiderte ruhig den Blick und meinte:
»Wenn Schneider unbedingt will, dass wir berichten, dann berichten wir eben. Aber wer auf Sendung kommt, das entscheide ich.«
Emma fühlte, dass sie wütend wurde. Sie versuchte, das aufkommende Gefühl herunterzuschlucken. Sie sagte sich, dass Bente die Expertin sei, aber sie ließ sich nicht gern bevormunden und mochte es nicht, wie Bente sich zur Chefin des Einsatzes aufspielte. Das Stück Kuchen steckte ihr jetzt wie ein Klumpen Watte im Hals. Sie schluckte, räusperte sich und sagte mit rauer Stimme:
»Und was ist mit den Nazigegnern?«
»Die kannst du meinetwegen übernehmen.«
Manuel testete das Mikro und korrigierte noch mal die Ausrichtung des Sendemastes. Dann drehte er sich zu den beiden Reporterinnen um.
»Wär so weit.«
Ohne ein weiteres Wort quetschte sich Bente an Emma vorbei und zog die Wagentür auf. Ein paar Männer und Frauen blickten auf und sahen in ihre Richtung. Es war leiser als vorhin, jemand hatte die Türen des VW -Transporters zugemacht, die Musik drang nur noch gedämpft nach draußen.
Bente kletterte aus dem Wagen und ging auf den Kern der Truppe am Hauseingang zu. Sie nickte einem der Fahnenträger zu, schüttelte einem anderen die Hand und begrüßte weitere mit Namen. Ernst, ja beinahe streng sah sie jedem der Demonstranten ins Gesicht, und es schien Emma, als wichen diese Männer vor der Kollegin zurück. Die meisten schienen sie zu kennen. Emma entdeckte Rocco Schmitz. Er saß mit seinen Kumpels auf dem Heck eines schwarzen BMW s und trank Dosenbier. Alle trugen Fanjacken des Leipziger Fußballvereins und schienen sich gut zu kennen. Rocco lachte laut, spuckte auf den Bürgersteig und tat so, als hätte er Emma nicht gesehen, aber sie spürte seinen Blick von der Seite, sobald sie sich wegdrehte. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Natürlich hatte sie damit gerechnet, dass Schmitz hier auftauchte. Doch er war ihr so zuwider, dass sie den Gedanken daran verdrängt hatte.
Sie stand noch immer am Ü-Wagen, als Bente sich zu ihr umdrehte und fragend die Augenbrauen hob. Emma legte die Schlaufe des Mikrofons um ihr Handgelenk und setzte den Kopfhörer auf. Dann ging sie auf die Nachbarn zu, die halb hinter einem Müllcontainer verborgen die Szene beobachteten. Beim Näherkommen erkannte sie die ältere Frau. Mit ihr hatte sie am Samstag gesprochen, wie hieß sie noch?
»Frau Jawes? Wir haben miteinander geredet, als der Herr Brinkmann tot gefunden wurde, wissen Sie noch?«
Die Frau sah Emma misstrauisch an, aber sie nickte. Sie schien noch immer nicht viel von der Presse zu halten, aber ihre Neugierde siegte.
»Was hat denn die Polizei rausgefunden? Hamse den Mörder?«
Sie fuhr sich wieder mit den Händen an ihrem dünnen Mantel entlang. »Man traut sich ja kaum mehr Zigaretten holen gehen, bis die den nicht gefunden haben.«
Emma schüttelte den Kopf und trat einen Schritt näher an die Gruppe heran. Beiläufig hob sie die Hand mit dem kleinen schwarzen Mikrofon.
»Die Polizei ermittelt noch. Sie haben rausgefunden, dass Lukas Brinkmann Mitglied in der Rechten Liga war. Sagt Ihnen das was?«
Frau Jawes zuckte die Schultern und sah vorsichtig in die Gesichter ihrer Nachbarn. Dann meinte sie unwirsch:
»Deswegen muss man einen ja wohl nicht gleich umbringen.«
»Seine Parteifreunde sind heute hier, um einen Kranz für den Toten abzulegen. Wie finden Sie das?«
»Die haben die ganze Straße blockiert. Und einer hat in die Hecke gepinkelt.«
Der Mann neben ihr legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte erschrocken: »Ilse, sei doch still. Wenn die dich hören …!«
»Pff«, machte Ilse und schüttelte
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