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Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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die Hand von ihrer Schulter. Dann sagte sie, allerdings leiser und mit einem schnellen Blick in die Runde: »Ich hab doch vor denen keine Angst!« Ein Trupp Männer vor der Tür lachte laut, Glas klirrte. Ein Fenster im Erdgeschoss wurde geräuschvoll geschlossen, Vorhänge mit einem Ruck zugezogen. Emma ging einen Schritt in die Mitte der Nachbarngruppe und sagte:
    »Die Liga ist eine rechtsextreme Partei, das wissen Sie vermutlich. Sie hofft, bei den Wahlen übernächsten Sonntag in den Brandenburgischen Landtag einziehen zu können. Glauben Sie, die Partei hat eine Chance?«
    Der ältere Mann neben Ilse Jawes zuckte mit den Schultern und beobachtete die Fahnenträger am Gartentor. Ein anderer, Mitte fünfzig und mit einem graumelierten Schnurrbart, sah auf das Mikrofon in Emmas Hand und meinte halblaut:
    »Von mir aus. Hauptsache, die verschwinden hier.«
    »Deutschland, Deutschland über a-ha-lles …«
    Ein dürrer Mann, trotz der kühlen Temperaturen in kurzer Hose und mit dem T-Shirt der Fußballnationalmannschaft streckte den rechten Arm zum Hitlergruß, senkte ihn aber gleich wieder, als sich alle zu ihm umdrehten. Seine Kameraden fielen jetzt in den grölenden Gesang ein.
    »Über alles in de-er Welt!«
    Eine alte Frau neben Emma schüttelte den Kopf und sagte:
    »Die haben doch keine Ahnung, die hier. Ich weiß was war, ich war vertrieben als junges Mädchen und …«
    Der Graumelierte nahm ihren Arm.
    »Ach Mama, das ist mit früher doch nicht zu vergleichen.«
    Emma drehte das Mikro zu ihm. Laut, um den Gesang zu übertönen, fragte sie:
    »Wie würden Sie denn die Anhänger von der Rechten Liga beschreiben?«
    Der Mann zögerte, sah sie dann aber mit festem Ausdruck an.
    »Wen soll man denn sonst wählen? Diese Politiker etwa, die das ganze Geld nach Griechenland schaufeln und dabei noch die Hand aufhalten?«
    Seine Mutter stieß ihm mit ihrer Handtasche auf die Finger und rief: »Karl, was redest du denn da!« Der Mann zuckte zusammen und drehte sich unwirsch zum Hauseingang um. Die alte Dame lächelte Emma entschuldigend an, trippelte noch einen Schritt näher an sie heran und sagte langsam und deutlich ins Mikrofon: »Ich finde es schrecklich, diese jungen Menschen und so viel Hass, ich wünschte mir, die Polizei würde so einen Aufstand verhindern. Eine Schande ist das für Deutschland.«
    Dann drehte sie sich um und folgte ihrem Sohn ins Haus.
    Einer der Neonazis stieg mit seinen Springerstiefeln in den Vorgarten eines Nachbarhauses und pinkelte in die Blumenbeete. Eine ältere Frau schaute aus dem dritten Stock angewidert auf ihn herunter, schloss dann aber ebenfalls das Fenster und zog die Vorhänge zu.
    Ein Auto fuhr langsam durch die Straße und hielt vor dem Haus des Toten. Emma ließ das Mikro sinken und wandte den Kopf zur Straße. Es war der blaue Audi der Fahrschule Schrandt. Am Steuer saß der dicke Fahrlehrer. Er hatte sich anscheinend von dem erzwungenen Besäufnis des Vor tages erholt, finster, aber doch mit klarem Blick parkte er den Wagen genau vor Emma und den Nachbarn. Auf dem Beifahrersitz saß Helmut Blattner. Der Fahrer sprang, so gut es ihm bei seiner Leibesfülle gelang, aus dem Wagen und ging schnell um das Auto herum zur Beifahrertür. Er öffnete sie und reichte dem alten Mann die Hand. Blattner ignorierte die Geste. Gestützt auf seinen Stock versuchte er auf die Beine zu kommen. Man konnte sehen, wie schwer es ihm fiel. Dann stand er, atmete tief durch und streckte den Rücken. Ein paar der Anwesenden sahen den Parteivorsitzenden, sie klatschten in die Hände, johlten und machten sich gegenseitig auf ihn aufmerksam. Blattner lächelte, winkte mit seinen greisen Händen und nickte zu allen Seiten. Die Hintertür des Autos öffnete sich zum Bürgersteig, und ein Junge kletterte hinaus. Überrascht rief Emma:
    »August!
    August drehte sich unsicher um. Jemand hatte ihm den Kopf kahlgeschoren. Er trug eine viel zu weite Tarnanzughose von der Bundeswehr, an den Beinen hochgekrempelt, und ein schwarzes T-Shirt, auf dem »Division Germania« aufgedruckt war. Um den Arm war ein rotes Tuch zur Binde gerollt. Die Aufmachung des Zehnjährigen in den viel zu großen, martialischen Kleidern war grotesk, aber niemand lachte.
    Seine Schwester Heike trat auf den Bürgersteig. Sie raffte ihre Tasche vom Sitz, rückte ihren kurzen Rock gerade und sah sich um. Ein paar Strähnen ihres langen blonden Haares trug sie zusammengebunden als Zopf, darunter schim merte hell die kahl rasierte Haut.

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