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Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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Die rote Satinjacke war exakt bis zum Brustansatz hochgezogen und betonte so ihren Ausschnitt. Als ihr Blick den von Emma kreuzte, lächelte sie böse. Sie trat einen Schritt vor und strich ihrem kleinen Bruder über die Glatze. Der fettleibige Fahrer ließ mit einem Klick der Schlüssel in seiner Hand den Kofferraum aufklappen. Blattner stellte sich zu August. Er umschloss das Kinn des Jungen mit seiner Hand und ließ ihn zu ihm aufblicken.
    »Mein Junge, du dienst der richtigen Sache. Für Deutschland. Solche wie du, ihr seid unsere Hoffnung.«
    Der Junge sah ihn verwirrt an und nickte. Ein paar Rechte, die nah genug gestanden hatten, um die Worte ihres Parteivorsitzenden zu verstehen, klatschten. Emma fasste ihr Mikrofon so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten, und streckte es Blattner entgegen.
    »Herr Blattner, was veranstalten Sie und Ihre Gesinnungsfreunde hier? Eine Wahlparty auf dem Rücken eines Toten?«
    Der alte Mann sah sie wütend an.
    »Lukas Brinkmann ist ein Held. Und wir gedenken unserer Helden, Frollein. Wer sind Sie überhaupt? Stellt man sich in Ihren Kreisen nicht vor?«
    »Emma Vonderwehr, RadioDirekt. Ich habe gehört, Sie haben sich mit Lukas Brinkmann gestritten? Worum ging es denn da?«
    Blattner schluckte. Er fasste mit beiden Händen nach seinem Gehstock und sagte:
    »Lukas Brinkmann sollte nach der Wahl für uns in den Landtag gehen. Er war unsere Hoffnung, ein Vorbild für unsere Jugend, Frau Vonderwehr. Aber er wollte anderen den Vortritt lassen. Er war zu bescheiden. Deswegen haben wir, nun ja, diskutiert. Lukas Brinkmann war ein ganzer Kerl. Ich hoffe, die Polizei findet bald seinen Mörder. So wie unsere Rechtsprechung heute aussieht, ist aber leider keine angemessene Strafe zu erwarten.«
    Mit diesen Worten ging Blattner langsam an Emma vorbei. August starrte ihm hinterher. Heike gab ihrem kleinen Bruder einen Stoß in den Rücken. Er drehte sich zum Kofferraum um, nahm einen Stapel Werbebroschüren heraus und verteilte die Blätter langsam an die umherstehenden Leute. Emma ging auf ihn zu und nahm ihm ein Blatt aus der Hand. Auf schwarz-weiß-rotem Grund las sie den Slogan der Rechten Liga – Radikal. National. Sozial.
    Mit der Wahlbroschüre in der Hand stellte sie sich der Schwester in den Weg, die gerade Rocco entdeckt hatte und zu ihm und seinen Freunden gehen wollte. Emma musste sich zusammenreißen, um sie nicht am Arm festzuhalten.
    »Was soll das mit August?«
    Heike musterte sie aus halbverhangenen Augen. Sie lächelte.
    »So was trägt man jetzt in Brandenburg.«
    »Ist das eine Bestrafung? Weil er mit mir geredet hat?«
    Die Frau lachte wütend. Sie zischte:
    »Wieso, er hat doch alles richtig gemacht! Jetzt ist die ganze scheiß Systempresse hier!«
    Emma trat einen Schritt auf August zu, fasste ihn an der Armbinde und drehte ihn hart in Richtung der Schwester.
    »Und was ist das hier?«
    Heike stürzte auf ihren kleinen Bruder zu und riss ihn an sich. Sie rief mit affektierter Stimme:
    »Oh du armer Junge, hat dir die böse Frau weh getan?«
    August presste die Lippen zusammen und starrte geradeaus. Heike sagte zu Emma:
    »Passen Sie auf, dass ich Sie nicht wegen Körperverletzung anzeige.«
    Emma holte tief Luft. Sie spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Heike zerrte August mit sich zu Rocco, der ihren Streit gespannt verfolgt hatte. Heike beugte sich zu ihm und versuchte, ihn auf die Wange zu küssen. Rocco tat überrascht und von der zärtlichen Geste angeekelt, er zuckte zurück und verspritzte Bierschaum auf Heike. Seine Kumpels schlugen sich auf die Schenkel und grölten. Heike wischte sich schnell über die nassen Arme und lächelte steif.
    Ein paar der Jungs hatten jetzt wieder mit ihren Schlachtengesängen angefangen, immer mehr stimmten mit ein. Einige lallten kräftig, der Text war nur schwer zu verstehen. Emma sah sich um. Heike hatte Recht, mittlerweile waren zahlreiche Medienvertreter in der Straße. Emma sah einen Fotografen, andere Kollegen von den Berliner Zeitungen und einen Journalisten von Reuters. Blattner stand gerade vor dessen Kamera und sprach mit ernstem Gesicht. Emma war nicht nah genug, um bei dem Lärm verstehen zu können, was er sagte, aber der alte Mann wies auf das Haus, in dem Brinkmann gewohnt hatte, und schüttelte betrübt den Kopf.
    Die Gruppe der Nazigegner schob sich näher an das Geschehen heran. Eine ältere Frau in einem langen grauen Rock hielt ein Plakat vor sich, auf dem stand: »Kein Forum für Nazis –

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