Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
zu interviewen, als ihr einfiel, dass sie kein Aufnahmegerät mehr hatte. Sie fluchte leise und fuhr los in Richtung Funkhaus.
Berlin, Charlottenburg. Redaktion BerlinDirekt
S ie merkte gleich, dass etwas nicht stimmte. Sebastian, der Redaktionsassistent, hob nicht den Kopf, als sie zur Tür hereinkam, und ignorierte auch ihre Frage nach dem Sendetermin. Stattdessen griff er zum Hörer und sagte in affektiert-konspirativem Tonfall »Sie ist jetzt da« in den Hörer. Im Großraumbüro war es still geworden, eine Praktikantin kicherte, verstummte aber nach einem Blick der Nachmittagsredakteurin. »Du sollst zu Schneider kommen.« Sebastian sah sie nicht an, sondern lächelte die Tür neben ihr an. »Jetzt.«
Emma schluckte. Sie wollte Sebastian fragen, was los war, aber er hatte sich schon wieder seinen Tabellen am PC zugewandt. Andreas, der Nachrichtenredakteur, ging an ihr vorbei in Richtung Sendestudio. Er sagte halblaut: »Blöd gelaufen mit dem Beitrag. Halt die Ohren steif«, lächelte schief und strich ihr kurz über den Arm.
Emma streckte das Rückgrat, drehte sich und ging die paar Schritte über den Flur zum Büro des Chefredakteurs. Die Tür war zu. Sie klopfte, er reagierte, bat sie hinein und die Tür hinter sich zu schließen. Das war kein gutes Zeichen.
»Ich musste den Beitrag rausnehmen. Zum Glück habe ich ihn vorher noch abgehört.«
Es war still im Raum. Emma fragte vorsichtig:
»Was war denn nicht in Ordnung?«
»Du hast einen stadtbekannten Linken aus Kreuzberg zum Zehlendorfer Nachbarn gemacht.«
»Konrad Weiß?«
»Seine Stimme ist fast so bekannt wie die von Wowereit. Demnächst behauptest du noch, Berlins Bürgermeister ist dein Mitbewohner am Alex.«
Unwillkürlich musste Emma daran denken, dass Wowereit ja tatsächlich nur einen Steinwurf von ihrer Wohnung am Alexanderplatz im Roten Rathaus arbeitete. Mit einem schnellen Blick auf Schneider sagte sie aber nichts dazu. Es war vermutlich nicht der geeignete Moment, witzig zu sein.
»Mensch, Emma, ein ARD -Angebot! Da können wir uns so etwas echt nicht leisten!«
»Einer der Neonazis hat mein Aufnahmegerät zerstört. Alle Töne waren weg!«
»Und warum hast du das nicht on air erzählt?«
Emma zögerte. Schneider beugte sich über den Tisch.
»Die Reporterin mittendrin, wird selbst angegriffen. Atmo drunter, dabei berichten, was dir die Leute erzählt haben. Fertig.«
Emma schwieg. Sie fragte sich, warum sie nicht selbst darauf gekommen war. Als könnte er ihre Gedanken erraten, sagte Schneider:
»Ich weiß, warum du das nicht gemacht hast.«
Ach wirklich, dachte Emma. Sie fing langsam an, wütend zu werden.
»Weil du keine Lust hattest zu erzählen, dass dieser Typ dich ausgetrickst hat.«
Schneider lehnte sich wieder zurück und hustete. Emma biss sich auf die Lippen und fragte sich, ob er Recht hatte.
»Aber wenn noch nichts rausgegangen ist – dann könnte ich das doch jetzt noch machen.«
»Zu spät.«
Schneider stand auf, ging zur Tür und öffnete sie.
»Das hat Bente bereits für dich erledigt. Sie hat sich unten in die Tiefgarage gestellt, wir haben die Atmo druntergelegt, und sie hat noch mal neu eingesprochen.«
Emma stand langsam auf. Schneider sah auf den Flur und grüßte jemanden. Leise sagte er zu Emma gewandt:
»Sie war sich nicht zu schade dafür.«
Emma ging mit starrem Blick an Schneider vorbei aus der Tür und wäre fast mit Gregor Schulenburg, dem Wellenleiter zusammengestoßen.
»Ach Emma, da sind Sie ja! Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
Emma sah ihren Chef fragend an.
»Ja, wieso?«
»Das ARD -Angebot geht eine halbe Stunde später raus als angekündigt, und Bente spricht es. Was war los? So geht das wirklich nicht, Schneider!«
»Technische Panne«, meinte der Chefredakteur knapp. Emma schwieg und warf ihm einen schnellen Blick zu. Schulenburg schaute von einem zum anderen und schien nicht zu wissen, was er davon halten sollte. Schließlich sagte er:
»30 Minuten verspätet! Peinlich!«
»Gregor, ich muss mit dir noch das Feature durchgehen. Lass uns in dein Büro gehen.«
Schneider legte seine Hand leicht auf die Schulter des Vorgesetzten und ging mit ihm den Gang entlang.
Emma blieb stehen und sah ihnen nach. Dann wurde ihr bewusst, dass die Tür zum Redaktionsraum offen stand und kein Geräusch von dort zu ihr drang.
Vermutlich hatten alle den Atem angehalten, um jedes Wort mitzubekommen. Emma beschloss, zur Kantine hochzugehen und etwas zu essen. Als sie am Großraumbüro
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