Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
Technikausleihe?
Emma öffnete ihr E-Mail-Programm und beschrieb Bente die Tatwaffe, den antiken Helm. Schneller wäre gewesen, sie hätte den Zettel gefaxt, aber das war ihr zu riskant. In der Landespolitik war manchmal viel Betrieb und das Faxgerät für jeden zugänglich.
Es war ein ruhiger Morgen gewesen, das Programm war ohne Zwischenfälle abgelaufen. Emma hatte sich entschlossen, die Sitzung zu schwänzen und vor der Pressekonferenz noch beim Pastor vorbeizufahren.
Sie stand auf und warf einen Blick ins Sitzungszimmer. Ein paar Kollegen hatten es sich schon gemütlich gemacht und plauderten über das Fußballspiel am Vorabend. Sebastian verteilte die Sendepläne. Emma fragte ihn:
»Ist Schneider noch in seinem Kabuff?«
»Nee, der ist beim Chef oben.«
»So?«
Emma wunderte sich, dass der Wellenchef schon so früh Besuch in seinem Büro empfing. In den seltenen Fällen, in denen Schulenburg schon um zehn im Sender war, hastete er noch im Mantel zur Sitzung. Sebastian zuckte nur mit den Schultern, und Emma meinte:
»Kannst du Schneider bitte sagen, dass ich vorher noch zum Vater des Opfers fahre? Er kann mich auf meinem Handy erreichen, nicht im Ü-Wagen.«
Sebastian sah sie ausdruckslos an. Emma nickte ihm zu und drehte sich zur Tür um.
»Emma?«
Sie wandte den Kopf, die Türklinke in der Hand. Sebastian sagte laut:
»Nicht wieder flunkern vorm Mikro, ja? Nachher hören wir noch von dir, dass du den Papst in Brandenburg getroffen hast.«
Ingrid, die Kollegin mit der regen Fantasie, kicherte. Ausgerechnet, dachte Emma, sagte aber nichts. Sie drehte sich um und schloss die Tür. Die eingelassene Glasscheibe klirrte.
Der Wagen schnurrte über die Landstraße. Emma hatte die Heizung hochgedreht und hörte eine Weile dem Vormittagsmoderator zu. Er hatte einen Gast aus der Senatskanzlei für Bildung, sie diskutierten über Inklusion, den gemeinsamen Unterricht mit geistig und körperlich Behinderten an den allgemeinbildenden Schulen. Emma dachte an ihre Schwester Ida. Helene hatte dafür gekämpft, Ida bei einer normalen Schule anmelden zu können, am Ende hatte sie doch kapituliert. Bremen war ein armes Bundesland. Für Ida gab es keine zusätzlichen Pädagogen, sie bekam nur die regulären Bücher. Nach einem Jahr der Quälerei kam Ida auf die Sonderschule, und Helene lernte zu Hause zusätzlich mit ihr. Sie machte sich Sorgen, was aus ihrer Jüngsten wurde, wenn sie nicht mehr für sie da sein konnte.
Das Gespräch im Radio war zu Ende, mehr als drei, vier Minuten Sendezeit gestand das Format keinem Gast zu. Die Frau von der Senatsverwaltung wirkte verärgert über den schnellen Rausschmiss, und der Moderator wies auf die Homepage der Welle, dort könne man weitere Informationen zu dem Thema nachlesen. Das war ein gängiges Mittel, komplexe Themen kurz zu halten.
Am Montag hatte es den Tag über getaut, die kleinen Schneehügel am Straßenrand waren verschwunden, die Erde kam graubraun zum Vorschein, erstarrt nach dem erneuten Nachtfrost. In einer Kurve spürte Emma, wie der Wagen für einen Moment die Bodenhaftung verlor. Sie ging vom Gas, es war glatt. Ihr Handy piepte und zeigte die Nummer der LaPo an. Emma stellte es in die Fernsprechanlage.
»Hey, stör ich dich?«
»Nee, bin noch unterwegs. Hast du meine Mail bekommen?«
»Ja.«
»Und, kannst du damit was anfangen?«
Bente schwieg einen Moment, man hörte Papiere rascheln. Emma schaltete einen Gang runter. Ein magerer Hase hoppelte über das Feld zu ihrer Linken, dann war sie vorbei.
»Die Rechten lieben diesen alten Militärkitsch. Ihn in der Form zu ermorden, spricht für eine Tat im Milieu.«
»Eine Exekution?«
»Vermutlich. Aber warum?«
Emma fiel noch etwas ein.
»Sie haben ihn übel zusammengeschlagen.«
»Vorher?«
»Hinterher macht wenig Sinn.«
Auf der Bundesstraße kam jetzt die Ausfahrt nach Hofsmünde. Emma setzte den Blinker. Sie sagte:
»Brinkmann war in Drogengeschäfte verwickelt. Vielleicht sollte sein Tod eine Warnung sein.«
Im Hintergrund kamen Stimmen näher. Bente sagte etwas lauter:
»Tja, möglich ist vieles.«
»Okay, danke Bente. Sehen wir uns später in der Kantine?«
»Nee, glaub nicht. Ich bin den ganzen Tag im Senat. Bis dann.«
Bente hatte aufgelegt. Emma fuhr am Ortseingangsschild von Hofsmünde vorbei und trat auf die Bremse. Der Wagen holperte über die aufgerissene Teerstraße, die an vielen Stellen mit dicken Pflastersteinen geflickt worden war. Sie sah auf die Uhr am Armaturenbrett.
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