Wer ohne Liebe ist: Kriminalroman (German Edition)
trat ihr Emma vors Schienbein. Heike schrie auf. Emma fragte noch einmal:
»Wo ist der Pastor?«
Heike nahm ihre Hände vom Gesicht und legte sie an die schmerzende Stelle am Bein. Eine Rotzblase blubberte aus ihrer Nase, als sie zurückbrüllte:
»Der liegt da hinten, aber ich war das nicht!«
Dann schluchzte sie noch einmal auf und ließ sich langsam in die Knie gleiten. Emma ließ die Hand mit der Lampe sinken und rannte wieder durch den Flur.
Zurück im Wohnzimmer rief sie laut nach dem Pastor und meinte, ein Stöhnen zu hören. Eine Tür war zersplittert, waren das Einschusslöcher? Emma versuchte sie zu öffnen, aber etwas lag davor und blockierte. Sie drückte mit aller Kraft. Das Stöhnen wurde laut.
»Pastor Brinkmann! Oh mein Gott! Ich hole jemanden!«
Sie wählte den Notruf und schrie die Adresse ins Telefon. Dann stemmte sie sich noch einmal gegen die Tür. Sie schaffte es, den Körper des Mannes ein Stück zur Seite zu schieben und schlüpfte durch die Tür. Brinkmann lag in merkwürdig verrenkter Stellung auf dem Boden. Er hielt seinen rechten Arm an die Brust gepresst. Alles war voller Blut, aber er war bei Bewusstsein.
»Sie kommen gleich, der Notarzt ist unterwegs, sie kommen sofort …«
Emma zog ihren Pullover aus und kniete sich vor den Pastor. Er sah sie mit verschwommenen Augen an. Vorsichtig zog sie seinen Arm von der Brust.
»Enna …«
»Ganz ruhig. Es kommt gleich jemand …« Sie flüsterte immer weiter, während sie seine Brust abtastete. Aber das Blut kam vom Arm, stoßweise pulsierte es heraus. Emma nahm ihren Pullover und wickelte ihn straff oberhalb der Wunde um den Arm. Dann drückte sie ihre Faust so fest sie konnte auf die Wunde. Er stöhnte.
»Enna, lassen Sie Heike da raus. Sie hat damit nichts zu tun.«
»Pastor, Sie müssen jetzt ruhig liegen bleiben, der Notarzt kommt sofort …«
»Nein, Enna, versprechen Sie es mir.« Sein Blick wurde glasig, seine Stimme war nur noch ein Flüstern.
»Es waren Männer. Sie haben Rocco mitgenommen. Sie haben ihm die Pistole an den Kopf gesetzt und ihn getreten, ich habe Angst, dass sie ihn… Ich habe Heike im Schrank versteckt. Denken Sie doch an August! Was soll mit ihm werden, wenn Heike …«
Emma hörte eine Sirene.
»Pastor, der Notarzt kommt. Alles wird gut. Sie kriegen jetzt Hilfe …«
Der Pastor sackte ihr weg. Emma schrie auf. Sie hörte jemanden durch den schmalen Gang rennen, dann war sie umringt von einem Erste-Hilfe-Team. Einer stülpte dem alten Mann eine Sauerstoffmaske um, ein anderer versorgte notdürftig seinen Arm. Emma schluchzte auf, stolperte dann zurück, um den Männern bei der Arbeit nicht im Weg zu stehen. Zwei Helfer nahmen den Pastor vorsichtig hoch und trugen ihn durch das Chaos nach draußen zum Notarztwagen. Emma drückte sich an der Wand entlang. Sie sah sich nach Heike um, aber die junge Frau war verschwunden.
Brandenburg, Kreisstadt Müncheberg
B lume saß im Auto auf dem Parkstreifen gegenüber dem weißverputzten Rathaus und wartete auf Emma. Wo blieb sie nur? Der Ü-Wagen ihres Senders parkte auf der anderen Straßenseite, Blume sah, wie ein Mann, vermutlich der Techniker, immer wieder ausstieg, um in der Hauptstraße nach rechts und links zu schauen. Jetzt telefonierte er mit seinem Handy. Blume konnte nicht verstehen, was er sagte, aber er sah wütend aus.
Die Brandenburger Polizei hatte die Pressekonferenz ins Rathaus nach Müncheberg verlegt. Offiziell hieß es, man erwartete einen Medienansturm, und nur hier gäbe es einen Saal mit einer funktionierenden Lautsprecheranlage. Doch das Interesse war gering. Der Mord war 3 Tage her, und es gab noch immer keinen konkreten Hinweis auf den Täter. Der RBB war mit einem Fernsehteam vor Ort, ein paar Zeitungsjournalisten aus Berlin und die lokale Presse, eine Frau von der dpa und Emmas Radiosender. Auf dem freien Platz rechts vom Rathaus parkten Autos mit Runenaufklebern und schwarz-weiß-roten Fahnen. Die Männer aus der rechten Szene standen beieinander, rauchten, unterhielten sich und warfen Blicke auf das Rathaus. Eine junge Frau mit dunklen Haaren ging auf dem Bürgersteig an ihnen vorbei. Einer der Männer rief ihr etwas zu, die anderen lachten. Die Frau sah weiter geradeaus und ging schneller.
Blumes Handy brummte, er warf einen Blick auf das Display. Unterdrückte Nummer. Blume drückte auf Annahme. Es war Achim.
»Rocco Schmitz ist weg.«
»Wie, weg?«
»Die Tschechen haben ihn mitgenommen. Rocco schuldet ihnen immer noch das
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