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Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Titel: Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Menschen könnten aus der muslimischen Welt nach Europa oder aus Mittelamerika in die USA fliehen. Diese Bevölkerungswanderungen könnten alles historisch Dagewesene in den Schatten stellen und die Probleme wieder aufleben lassen, für die früher der Steppenschnellweg stand.
    Eines dieser Probleme könnten Krankheiten sein, der vierte der apokalyptischen Reiter. Die Wanderungen durch die Steppe verbreiteten die Pestepidemien des 2. und des 12. Jahrhunderts. Die größte Pandemie des 20. Jahrhunderts, die H1N1-Grippe von 1918, wurde durch die Flut junger Männer unter Waffen von Europa nach Amerika geschleppt. Diese so genannte Spanische Grippe raffte mehr Menschen in einem Jahr dahin – etwa 50 Millionen – als der Schwarze Tod in einem Jahrhundert, zwei- oder dreimal so viele wie AIDS in den letzten 30 Jahren.
    Flugreisen haben es noch schwieriger gemacht, Krankheiten einzudämmen. Die früheste in Afrika dokumentierte Infektion mit dem HIV-Virus datiert von 1959, und seit etwa 1980 überschwemmte AIDS vier Kontinente. SARS (Schweres Akutes Atemwegssyndrom) sprang 2003, nachdem sich das Virus einige Wochen lang in Südchina entwickelt hatte, über in 37 Länder. Genetiker haben die DNA dieser Infektionskrankheit in 31 Tagen sequenziert (im Fall von HIV hatte das 15 Jahre gedauert), konzertierte internationale Aktionen konnten sie im Keim ersticken. Als die Epidemiologen die so genannte Schweinegrippe (bekannt als Neues H1N1, um es vom Grippevirus des Jahres 1918 zu unterscheiden) 2009 identifiziert hatten, hatte sich das Virus bereits so weit verbreitet, dass die Epidemie nicht mehr eingedämmt werden konnte.
    Wenn die Schweinegrippe oder eine der nicht minder beunruhigenden Stämme der Vogelgrippe sich wie die Asiatische Grippe (H2N2) zu verhalten beginnen, der 1957 ein bis zwei Millionen Menschen zum Opfer fielen, dann, so schätzt die Weltgesundheitsorganisation, wird eine solche Epidemie zwei bis 7,4 Millionen Menschen das Leben kosten. Sollten sie sich verhalten wie 1918, können ihnen bis zu 200 Millionen Menschen zum Opfer fallen. Die Welt heute ist besser vorbereitet als 1918, doch selbst dann, wenn nur ein Zehntel der Menschen sterben würde, die damals zu Tode kamen, hätte dies einen kurzfristigen ökonomischen Crash zur Folge, gegen den die Finanzkrise von 2008/09 trivial aussähe. Die Weltbank rechnet damit, dass eine Pandemie die Wirtschaftsleistung weltweit um fünf Prozent verringern würde. Noch alarmierender lesen sich einige der »Zehn Punkte, die Sie über eine Grippe-Pandemie wissen sollten«, die die Weltgesundheitsbehörde auf ihre Website gestellt hat:
Die Welt könnte sich am Rand einer neuen Pandemie befinden.
Alle Länder werden betroffen sein.
|579| Die medizinische Versorgung wird nicht ausreichend sein.
Es wird sehr viele Tote geben.
Die wirtschaftlichen und sozialen Brüche werden groß sein. 26
    Wie während der apokalyptischen Reiterzüge in der Vergangenheit werden Klimawandel, Hunger, Migration und Krankheiten auch diesmal den fünften Reiter loslassen, den Zusammenbruch der Staaten. Im Bogen der Instabilität liegen einige der Staaten mit den weltweit schwächsten Regimes, und wenn der Druck zunimmt, könnten einige ebenso komplett zusammenbrechen wie jene in Afghanistan oder Somalia – mit der Folge, dass die Nöte der Menschen zunehmen und Terroristen weitere Schlupflöcher finden werden. Und wenn diese Instabilität dann die Kernregionen erreicht, deren Volkswirtschaften von den Ressourcen der Bogenstaaten abhängig sind, könnten wir ins schlimmste aller denkbaren Szenarien schlittern.
    Bereits 1943 hat eine US-Gesandtschaft in der Golfregion das Hauptproblem erkannt. Das Öl dort, heißt es in ihrem Bericht, »ist der größte Hauptgewinn der Geschichte«. 27 Die reichen Nationen der westlichen Kerngebiete haben ihre Strategien denn auch rasch auf die Ölvorkommen rund um den Persischen Golf abgestellt. Als in den 1950er Jahren die Macht Westeuropas schwand, übernahmen die USA das Zepter. Sie intervenierten verdeckt und offen, unterstützten Verbündete, schadeten feindlichen Staaten – alles, um den Zugang zu den Ressourcen des Bogens zu behalten. Auch die Sowjetunion, die vom Öl der Golfregion weniger abhängig war, mischte kräftig mit, um den Einfluss der USA einzudämmen. Und als sich Russland in den 1990er Jahren zurückzog, sah sich China wegen seines Ölbedarfs (der seit 2000 für 40 Prozent des weltweiten Nachfrageanstiegs verantwortlich ist) gezwungen, ins

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