Wer sagt, dass Kinder gluecklich machen
Cornelia, 56. »Alles wollte ich ihnen ersparen: Enttäuschungen, Kummer, Langeweile. Was ich damit erreicht habe, ist ein Zwanzigjähriger, der gerade durchs Abitur gerasselt ist, und ein Fünfundzwanzigjähriger, der gerade sein Jurastudium kurz vor dem ersten Staatsexamen hingeschmissen hat. Wer als Kind nie um etwas kämpfen musste, kann auch später nicht mit Problemen umgehen. Ihm fehlt die Stärke, sich gegen Widrigkeiten durchzusetzen, der dazu nötige seelische Muskel ist durch unsere zu lasche Erziehung einfach verkümmert.«
Warum soll es unseren Kindern schlechter gehen als uns? Klingt so richtig und ist doch so schwer umzusetzen. Weil sich das Leben einfach so viel besser anfühlt, wenn es den Kindern gut geht, wenn sie gut gelaunt und glücklich sind. Und es deshalb so viel leichter ist, einfach alles abzunicken. Wir wissen ganz genau, was wir falsch machen, und wir tun es trotzdem. Aus dem falsch verstandenen »Warum soll es unseren Kindern schlechter gehen als uns?«-Gefühl heraus. Sollen sie mit dem Fahrrad zur Uni fahren, wenn wir das dicke Auto fahren? Holzklasse fliegen, wenn wir in der Business sitzen? Sich irgendetwas versagen, wenn wir es längst geschafft haben? Außerdem wollen wir, gerade wenn wir alte Eltern sind, die es dank der Kunst eines Fertilitätsspezialisten,
der sich durch uns eine goldene Nase verdient hat, eben noch geschafft haben, von unseren Kindern geliebt werden. Cool gefunden werden, auf keinen Fall so spießig, wie wir einst unsere Eltern fanden, bei denen wir uns nicht einen Bruchteil des Benehmens herauszunehmen gewagt hätten, der uns täglich geboten wird.
Und so wächst er heran, der verzärtelte, verwöhnte, nicht belastbare Nachwuchs. Staunend steht die Mami vor Kinderzimmern, die Verkehrskreuzungen ähneln, auf denen es
zu einer Massenkarambolage gekommen ist. »Ich bin sehr ordentlich, deshalb habe ich diese Sauhaufen in den Zimmern meiner Kinder zunächst nicht ausgehalten. Ich habe gebeten, gedroht, geschimpft, es hat alles nichts genützt. Eine Zeit lang habe ich jedes Mal aufgeräumt, wenn sie weg waren, und gehofft, sie merken den Unterschied, wenn sie zurückkommen – das Gegenteil traf ein. Sie waren stocksauer, weil ich ihre Intimsphäre verletzt hatte«, sagt eine Mutter erschöpft.
Es gibt nur wenig Eltern, die sich, was versiffte, messiehafte Jugendzimmer betrifft, bei ihren Kindern durchsetzen können. Aber eine Menge, die sich jeden Tag wieder darüber ärgern.
Kommt Ihnen dieser Dialog irgendwie vage bekannt vor?
»Bitte räum endlich dein Zimmer auf.«
»Ja, gleich.«
Drei Tage später.
»Hast du endlich aufgeräumt?«
»Ich hab doch gesagt, ich mach’s.«
»Aber hast du es gemacht?«
»Ja, gleich.«
»Mach’s doch einfach, damit ich dich nicht immer nerven muss.«
»Dann nerv doch einfach nicht.«
Oder dieser?
»Hast du deine Bewerbung losgeschickt?«
»Mach ich morgen.«
»Warum nicht gleich, die Frist läuft ab.«
»Die läuft erst übermorgen ab.«
»Das könnte knapp werden, mach’s lieber heute noch.«
»Mensch, Mama, chill doch mal.«
Oder vielleicht auch dieser?
»Ich habe ja grundsätzlich nichts dagegen, dass dein Freund hier übernachtet.«
»Wo ist dann das Problem?«
»Die Küche ist das Problem.«
»Hä, wieso das denn?«
»Weil ihr um zwölf Uhr gefrühstückt und die Küche wie einen Saustall hinterlassen habt.«
»Das machen wir schon noch.«
»Macht es bitte gleich, ich will später kochen.«
»Kannst du doch.«
»Nein, kann ich nicht, wenn alles voll steht.«
»Du willst doch nicht im Ernst, dass ich jetzt mit David deine Küche putze. Wie uncool ist das denn bitte? Wir
haben uns doch gerade erst kennengelernt.«
Tiefer mütterlicher Seufzer.
»Ich mach’s schon selber.«
»Hab dich lieb!«
Woran liegt es also, dass wir bei unseren Kindern immer den Kürzeren ziehen? Ganz einfach: an unserer eigenen Bequemlichkeit und Konfliktscheu, an diesem Bedürfnis, geliebt zu werden, an dieser Sucht, die Kinder glücklich zu machen, mit anderen Worten – an uns! Machen wir nicht unsere Kinder dafür verantwortlich, dass sie uns so oft anstrengen und uns Sorgen machen – den Grundstein dafür haben leider wir gelegt. Haben Sie schon einmal beobachtet, wie angenehm streng erzogene Kinder sind? Und wie höflich sie zu ihren Eltern sind? Mit Kindern ist es im Grunde wie mit Hunden: Was man am Anfang an Disziplin und Konsequenz versäumt, bereut man sein Leben lang. Also sollten wir es ab jetzt
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