Wer sagt, dass Kinder gluecklich machen
Mir-Sorgen-Macher.« Gerade junge, unerfahrene oder alte, überängstliche Mütter empfinden oft genauso, besonders die mit dem ständig auf Hochtouren laufenden Kopfkino. »Mein Ganzkörperkrebssyndrom« nennt es Brigitte, 48, zwei Kinder. »Leider leide ich noch heute daran. Jedes kleine Wehwehchen ist ein Schreckensszenario, in dem immer nur das Schlimmste passiert. Jede Sekunde kann sich schließlich der Ziegelstein genau von dem Dach lösen, unter dem eins meiner Kinder gerade durchgeht, und ihm den Kopf zerschmettern.«
Wir haben Angst, obwohl gar nichts passiert
Trotz regelmäßiger Versicherungen unseres Frauenarztes, dass unsere Schwangerschaft geradezu vorbildlich verläuft, sind wir zutiefst erleichtert, dass unser Kind nicht mit zwei Köpfen auf die Welt gekommen ist. Alles dran, alles, wie es sein soll. Entspannt sind wir deshalb trotzdem nicht, im Gegenteil: Unsere Angst kriegt Geschwister! Also stehen wir am Gitterbett und haben Angst, dass unser Kind zu atmen aufhört, am plötzlichen Kindstod stirbt. »Du spinnst doch«, sagen Freunde, aber gerade, wenn wir uns etwas beruhigt haben, lesen wir, dass das Baby von Hardy Krüger jr. einen Tag nach seiner Taufe daran gestorben ist und es macht PLUMPS, und dieser Stein liegt wieder auf unserem Herzen und schnürt uns die Luft ab.
»Manchmal verkrampft sich mein Herz vor lauter Angst, obwohl gar nichts passiert ist«, sagt Annemarie, 48, eine spät gebärende Mutter. »Es ist doch alles in Ordnung, sage ich mir dann, dein Sohn ist in der Schule und schreibt gerade ein Diktat, da kann ihm doch gar nichts passieren. Egal,
mein Herz klopft trotzdem wie wahnsinnig, nur der rein theoretische Gedanke, es könnte ihm etwas zustoßen, ich könnte ihn verlieren, ist absolut unerträglich.«
Mensch, Mütter, reißt euch gefälligst zusammen! Lasst eure Kinder bloß nicht spüren, was für Hasenherzen ihr eigentlich habt!
»Ich spüre sofort, wenn eine Mutter überängstlich ist«, sagt ein Schwimmlehrer aus Hamburg, »und zwar auch durch die dicke Glasscheibe, die das Schwimmbecken vom Warteraum trennt, in dem die Mütter sitzen. Da ist so ein unsichtbares, dickes Band, das eine ängstliche Mutter mit ihrem Kind verbindet. Das sitzt dann am Beckenrand und traut sich gar nichts, weil Mami
es am Mamiband zurückzieht. Furchtbar, diese Mütter, am liebsten würde ich sie aus dem Warteraum verbannen.«
Mütter müssen einfach lernen, sich zu entspannen. Nichts hemmt die freie Entfaltung der Kinder mehr als überängstliche Eltern. Früher sind Kinder unbeaufsichtigt auf Hausdächer und Bäume geklettert, haben bis zum Dunkelwerden draußen gespielt, kein Erwachsener hat sich darüber aufgeregt. Vom Winde verweht, diese Zeiten. Die Medien haben uns leider die Unschuld geraubt, kein Tag vergeht ohne Zeitungsmeldungen oder TV-Berichte über entführte, misshandelte, getötete Kinder. Wenn das unser Kind wäre! Wie würden wir da weiterleben können? Gar nicht. Das wissen wir. Ohne unsere Kinder ist das Leben nicht mehr lebenswert. Deshalb machen wir ständiges Handy-Stalking (»Wo bist du, was machst du?«) und damit uns und unsere Kinder völlig verrückt.
Ob große oder kleine Ängste – wer Kinder hat, ist nie frei davon. Wir haben Angst, unser Kind könnte sich verletzen, im Kindergarten Heimweh bekommen, in der Schule
keine Freunde finden. Die Lehrerin könnte es ungerecht behandeln, die Zeugnisse fallen schlecht aus, unser Kind wird deshalb nicht versetzt. Meistens sind unsere Sorgen unbegründet, meistens »verwächst es sich«, das Problem mit der Angst. Alles ist vorübergehend, jede Phase ist irgendwann zu Ende. Das wissen wir zwar theoretisch, aber praktisch denken wir bei jeder Krise, bei jedem Problem: So wird es immer bleiben! Unser Kind wird nie durchschlafen, nie laufen lernen, die Milchzähne behalten, immer der pubertierende Rotzlöffel mit den schlechten Zeugnissen bleiben. Egal, wie oft wir eines Besseren belehrt werden, wir sind jedes Mal erstaunt, wenn eine anstrengende Phase vorbei ist. Und irgendwann atmen wir tief durch und denken: Geschafft! Unser Kind ist erwachsen, es kann für sich selbst sorgen, meine Arbeit ist getan. Und genau das ist leider ein Irrtum. Ein ganz großer sogar. Auch mit dem Erwachsenwerden können die Sorgen bleiben. Denn wie gehen wir damit um, wenn wir keines dieser Prachtexemplare haben, das in einer idealen Elternwelt nach dem Schulabschluss ein Work-and-Travel-Jahr in Neuseeland verbringt, damit es den
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