Wer sagt, dass Kinder gluecklich machen
ihr
Hühnersuppe kochen und sie trösten darf. Das tue ich natürlich gern, obwohl ich genau weiß, dass der nächste Bad Boy bereits eine Ecke weiter wartet.«
Ach, es ist so einfach, unsere Kinder zu lieben, und so verdammt schwer, sie wieder loszulassen! Zu begreifen, dass sie ihre Dinge selbst regeln müssen, vor allem wollen, dass es nicht mehr reicht, sie auf den Schoß zu nehmen und »Mami pustet dir das Aua weg« zu sagen. Das Aua bleibt, egal, wie stark wir pusten, und oft genug pusten wir auch gegen den Willen unserer Kinder. Wir leiden viel mehr unter ihren vermeintlichen Problemen als sie selbst. »Mein Sohn
ist nach der Lehre nicht übernommen worden«, sagt eine Mutter. »Sechs Monate hat er sich online beworben, das macht man ja jetzt so, und hat noch nicht mal eine Antwort gekriegt. Er ist dann ganz entspannt für drei Monate nach Mallorca gegangen, hat dort seinen Surflehrer gemacht, während ich mir in Deutschland den Kopf zerbrochen habe, wie ich ihm helfen könnte. Im Moment ist er auf Formentera und ich habe nur eine vage Idee, was er dort macht. Aber wenn wir skypen, ist er immer gut drauf.«
Das Belastendste an den Sorgen und Problemen erwachsener Kinder ist unsere Angst, dass sie bleibt. Dass sie sich eben nicht wieder »verwächst«, dass die Wunde nicht verschorft. Dass der Sohn, der zwei Jahre nach dem Abitur noch immer »chillt«, zum Hartz-IV-Fall wird. Dass die Tochter mit den Liebesproblemen als alte, vertrocknete Jungfer ihr Singleleben fristet. Dass unsere über alles geliebten Kinder aus dem Raster fallen, weder beruflich noch privat das Glück finden, das wir uns so sehr für sie gewünscht haben. Und je älter unsere Kinder werden, desto stärker wird die Angst, und bang stellen wir uns die Fragen: Ist es zu spät? Was haben wir als Eltern falsch gemacht, dass unsere Kinder sich so entwickelt haben? Waren wir zu streng, zu fürsorglich, haben wir zu viel oder zu wenig erwartet?
Oskar Holzberg, Psychologe
Wir als Eltern müssen uns von der »erwartenden« Elternliebe trennen. Wir müssen mit diesem »Entfremdungsgefühl« vorsichtig umgehen, das Gespräch suchen, keine Vorwürfe! Unser Kind ist erwachsen und trifft somit seine eigenen Entscheidungen. Am besten ist es, unser negatives Gefühl getrennt vom Kind zu verarbeiten, sich selbst zu fragen, warum wir ein Problem haben. Oft hat es nämlich nicht mit dem Kind, sondern mit Defiziten in uns selbst zu tun.
»Wenn meine Tochter ein Wochenende zu Besuch kommt, gibt es regelmäßig Stress«, sagt Ida, 62, aus Köln, deren Tochter Sabine, 39, in Berlin lebt. »Mein zweiter Mann versucht, so wenig wie möglich zu Hause zu sein, weil er sie kaum aushält. Sie stellt das Radio aus, weil sie meine Musik nicht erträgt. Den Fernseher ebenso. Dafür meditiert sie in unserem Gästezimmer – stundenlang. Sie ernährt sich vegan. Sie arbeitet nicht, lebt von einer kleinen Erbschaft, die ihr ihr Vater hinterlassen hat. Sie hat keine Interessen – außer Meditation und Yoga – und keine Ziele. Im Grunde kann ich sie nicht ertragen. Normalerweise würde ich Menschen wie sie gar nicht treffen wollen. Aber was soll ich machen? Sie ist meine Tochter.«
Wann lassen wir los und wie? Ganz oder nur ein bisschen?
Maria, 58, eine Tochter, 19
»Ich habe nur dieses eine Kind, trotzdem war ich nie eine dieser Helikopter-Mütter, die ständig besorgt über ihrem Nachwuchs kreisen, im Gegenteil, ich bin berufstätig, habe zwar keinen Mann, dafür viele Freunde und Interessen. Gesche hat immer alle Freiheiten gehabt. Deshalb machte ich mir anfangs auch keine Sorgen, als sie im Winter vor sechs Jahren vor sich hinkränkelte, eine Grippe löste die nächste ab, es wurde einfach nicht besser. Wird schon wieder, dachte ich, wenn erst der Frühling kommt … Aber es wurde nicht. Und dann schlug unsere Hausärztin vor, Gesches Blutzuckerspiegel zu messen. Ihren Anruf werde ich nie vergessen. ›Ihre Tochter hat Diabetes Typ 1‹, sagte sie. ›Das ist eine Autoimmunkrankheit, die bis jetzt nicht heilbar ist. Sie hat so schlechte Werte, dass sie sofort ins Krankenhaus muss, sonst besteht die Gefahr, dass sie ins Koma fällt.‹ Ich kann nicht beschreiben, was bei diesen Worten in mir vorging. Ein Gefühl, als wenn man ohne Vorwarnung einen dunklen Schacht hinuntergestoßen wird. Bis dahin hatte ich keine Ahnung, was Diabetes ist, ich hielt es für eine Alte-Leute-Krankheit. Aber es war meine zwölfjährige Tochter, die es getroffen hatte und die
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