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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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beschossen. Ich will wissen, was ich mit der Sache zu tun habe. Außerdem haben die meinen Landrover beschädigt. Den Selbstbehalt zahlen die mir gefälligst.«
    Darüber dachte Jasmine kurz nach und tupfte sich den Kopf mit dem Taschentuch. Es sog immer noch Blut auf, und jetzt fühlte Jasmine auch einen kleinen, harten Klumpen direkt unter der Haut an einem Ende der Schramme. Es tat ziemlich weh, als sie ihn mit dem Fingernagel herauskratzte. Sie streifte ihn mit ein paar Haaren ins Taschentuch, rieb ihn sauber und schaute ihn sich zwischen Daumen und Zeigefinger an. Es war ein kleines Stück Metall.
    »Ich glaube, mein Kopf hat ein Stück von Ihrer Tür mitgenommen«, sagte sie skeptisch. »Tut mir leid.«
    »Schrotkugel. Wohl ein Querschläger. Genau genommen haben Sie gerade einen Kopfschuss überlebt. Glückwunsch.«

    Beim ersten Wort hatte sie die Kugel entsetzt fallen lassen. Sie verschwand im Fußraum und rollte unter Jasmines Sitz zwischen Tausende von Glasscherben.
    »Okay«, gab sie nach. »Keine Polizei. Sie können mitkommen, aber ohne Waffen. Egal wie wenige.«
    »Es geht hier um Glasgow«, erwiderte er mit einem Akzent, der plötzlich doch ziemlich genau passte. »Nie im Leben fahr ich da ohne hin.«
    »Dann fahr ich alleine. Ich hab nämlich die Erfahrung gemacht, dass bewaffnete Männer andere bewaffnete Männer anziehen.«
    »Die Erfahrung? Sie haben nicht mal ’ne Stunde Erfahrung mit bewaffneten Männern.«
    »Genau, und meiner Erfahrung nach geht es jedes Mal so aus, dass ich von anderen bewaffneten Männern beschossen werde.«
    »Und wie Sie eben gesehen haben, ist das Ganze weit weniger tödlich, wenn man zurückschießen kann.«
    Jasmine wusste, dass er recht hatte, dass sie nicht rational dachte, aber allein der Gedanke an die Kugel zwischen ihren Fingern ließ es ihr kalt den Rücken hinunterlaufen.
    »Versprechen Sie mir einfach, dass es jetzt mit den Waffen vorbei ist«, bat sie. »Lügen Sie, wenn es sein muss.«
    »Ich werd Sie nicht anlügen«, erwiderte er, ohne sich weiter zu erklären.
    Sie schwiegen gut zwei Kilometer lang. Als sie an einen Kreisverkehr kamen, merkte Jasmine, dass sie nicht umgekehrt waren, sondern in der ursprünglichen Richtung weiterfuhren.
    »Fahren wir gar nicht zurück zum Haus?«
    »Ich muss noch das Teil für den Schredder besorgen.«
    »Sie hatten doch gesagt, Sie brauchen einen neuen.«
    »Da hab ich um den heißen Brei rumgeredet, wissen Sie noch?«

    »Ich will ja nicht egozentrisch und rücksichtslos wirken, aber hat das nicht Zeit?«
    »Nein. Das muss sein, wenn ich Ihnen helfen soll. Rita ist es zwar gewohnt, dass ich kurzfristig verschwinde, aber wenn ich halbfertige Arbeit zurücklasse, macht sie sich Sorgen. Sie soll sich gefälligst nur Sorgen um das Haus machen müssen.«
    Jasmine konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand sich Sorgen um jemanden machen könnte, der so gefährlich und Furcht einflößend war wie Ingrams, aber dann kam ihr der Gedanke, dass er vielleicht mehr für Rita war als nur eine Hilfe.
    Als Jasmine auf den Parkplatz vor dem Büro fuhr, sah sie es auf dem Beton verräterisch schimmern.
    »Das ist Jims Ermittlungswagen«, erklärte sie Ingrams. »Den hat sich wohl einer vorgeknöpft.«
    Sie waren gegen halb acht in Glasgow angekommen und hatten gemäß Ingrams’ Wunsch direkt Sharp Investigations angesteuert.
    Am Zufluchtsort waren sie kurz vor fünf losgefahren. Ingrams hatte seine Arbeit zu Ende gebracht und noch kurz ein paar Sachen von sich zu Hause geholt. Nach einer knappen Dreiviertelstunde war er mit einer schwarzen Sporttasche über der Schulter zurückgekommen, über deren Inhalt sie nicht spekulieren wollte. Sie fragte sich, warum sie nicht auf der Fahrt den kurzen Abstecher zu ihm hatten machen können, aber er wollte wohl nicht, dass sie wusste, wo er wohnte.
    Sie hatte auf einer schattigen Holzbank im Garten gewartet und ihm beim Arbeiten zugesehen. Er schredderte die Zweige einer wuchernden Hortensie, die er im Laufe des Morgens gestutzt hatte. Das Häckselgut sammelte er in einem Plastikeimer, den er immer wieder zum Mulchen in einen Streuwagen leerte. Er arbeitete zügig und eifrig, aber ohne Hast.

    Als sie wieder am Haus angekommen waren, hatte Jasmine noch einmal kurz Rita gesehen.
    Ingrams hatte den Landrover hinten geparkt, wo sie den Zustand des Wagens nicht sah. Rita hatte den Motor gehört und war nach draußen gekommen. Das kam Jasmine erst wie eine freundliche Geste vor, bis Rita sie bat,

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