Wer schlafende Hunde weckt
Abercorns langfristige Strategie Locust schlecht aussehen ließ, aber das hieß nicht, dass er sich einbildete, dass so etwas effektiv oder auf lange Sicht durchzuhalten war. Hier ging es immer auch um Diplomatie und Außenwirkung, und Catherine wollte keiner Seite etwas schenken, bevor sie nicht genau wusste, welche Auswirkungen das auf das Spiel hatte.
»Hat er dir schon die Moskito-Rede gehalten?«
»Nein. Ich gehöre wohl nicht dazu.«
»Vielleicht meint er auch, du kennst dich im einundzwanzigsten Jahrhundert genug aus, um seine Art von Polizeiarbeit zu verstehen.«
Seine Augen leuchteten verschmitzt – er wollte sie aufziehen. Sie warf ihm einen Blick zu, der ihm klarmachte, dass er dazu früher aufstehen musste.
»Du hast was für mich, hab ich gehört?«, sagte sie, zweifelte aber selbst daran, dass er es schon rausrücken würde.
Er schaute wieder kurz zu seinem Handy hinüber, riss dann zu ihrer Überraschung weit die Augen auf und antwortete mit einem auf mehrere Silben langgezogenen »J-o-a-a-h«. Es war, als hätte er vor lauter Spannung auf seinen Anruf ganz vergessen, sie wie üblich auf die Folter zu spannen.
»Ihr habt doch bisher noch keine großartigen Reaktionen aus der Öffentlichkeit auf den Zeugenaufruf im Fall des verstorbenen Mr McDiarmid bekommen, oder?«
»Versuchen müssen wir’s eben«, erwiderte sie. »Was will man machen? So ist Gallowhaugh. Am helllichten Tag wird vor dreißig Leuten einer aufgeschlitzt, und hinterher hat kein Schwein was gesehen.«
»Mit manchen Leuten reden die Zeugen schon«, erwiderte er verheißungsvoll. »Meine Quelle – meine zuverlässige Quelle – berichtet mir, dass Paddy Steels Leute ihre eigenen Nachforschungen anstellen. Irgendwer hat Paddy wohl berichtet, dass er Sonntagnacht ungefähr zur Zeit, als McDiarmids Leiche abgeladen wurde, einen schwarzen Lieferwagen aus der kleinen Gasse hinter der Shawburn Road auf den Langton Drive hat einbiegen sehen.«
»Derselbe Paddy Steel, der mir erzählt hat, er würde McDiarmid nur ganz beiläufig kennen und hätte keine Ahnung, worum es bei dem Mord ging.«
»Genau. Und wie ich höre, hatte er dabei eine schusssichere Weste an.«
»Ein schwarzer Lieferwagen«, wiederholte sie. »Noch was? Hersteller? Modell?«
»Ford Transit.«
»Natürlich«, erwiderte sie. »Musste ja der Standardlieferwagen überhaupt sein. Immerhin war er nicht weiß, was?«
»Tja, der Witz ist aber, dass er auch nicht schwarz war.«
»Was?«
»Paddy Steels Trottel suchen nach dem A-Team, aber meine Quelle hat noch ’nen anderen Zeugen aufgetan, der sich daran erinnert hat, dass gegen Mittag ein dunkelblauer Lieferwagen vom Capletburn Drive aus in die Gasse gefahren ist.«
»Dunkelblau sieht gegen Mitternacht unter den Straßenlaternen wohl ziemlich schwarz aus«, urteilte Catherine. »Danke, Bob.«
»Wer weiß, ob’s was hilft.«
Er machte sich wieder über sein Speckbrötchen her und ließ noch mal den Blick übers Handy streifen.
»Du guckst das Teil an, als ob’s gleich ein Ei legt«, sagte Catherine.
»Oder mich in die Scheiße reitet«, gab er zu.
»Wie denn?«
Cairns trank einen Schluck Tee.
»Ich hab da einen Kontakt, einen Kontakt in sehr guter Position, der mir schon absolut unbezahlbare Tipps gegeben hat, aber er ist auch genauso launisch und schwierig, wie man es dafür erwartet. Er ist so gerissen wie ehrgeizig, und ich kann dir sagen, der macht sich einen Riesenspaß draus, beide Seiten gegeneinander auszuspielen. Man sagt ja immer, man kann sich ruhig ausnutzen lassen, solange man darüber Bescheid weiß, aber bei dem weiß ich nie so richtig, wie er mich ausnutzt, und das macht mich ungeduldig. Auf jeden Fall sollte er schon angerufen haben. Schon lange. Soll wohl was ziemlich Großes sein. Je mehr er einen hinhält, desto größer ist es.«
»Hat er schon was angedeutet?«
»Nur dass er glaubt, dass es heute laufen soll. Wahrscheinlich Drogen; sind ja immer Drogen. Mehr hat er nicht rausgerückt, wusste angeblich noch nichts Genaueres. Klar weiß er’s, der kleine Wichser, aber er spannt einen gerne auf die Folter. Kriegt ’nen Riesenständer, wenn man ihm an den Lippen hängt. Hält sich auch ziemlich zurück: Alles bleibt bis zum allerletzten Moment sehr vage, wahrscheinlich, damit er seine Geschichte ändern kann, wenn …«
Cairns verstummte, als das Handy endlich klingelte. Die Melodie war nicht einmal vollständig abgespielt worden, da hatte er das Gerät schon am Ohr. Er
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