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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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Haupteingang, und Cairns folgte ihnen in einiger Entfernung.
    Nach ein paar Schritten blieb er stehen und drehte sich zu Catherine um.
    »Kommst du mit?«, fragte er.
    »Klar«, erwiderte sie, obwohl sie doch ein bisschen besorgt war.
    Sie fragte sich, worauf dieser instinktive Widerwille beruhte. Hatte sie Angst, dass er sie mitnahm, damit sie die Verantwortung teilte, wenn sich das Ganze als falscher Alarm herausstellte? Dann kam sie an der leeren Hülle der Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg vorbei, die gleich hinter dem Eingang stand, und ihr fiel ein ganz einfacher Grund ein, warum sie keine große Lust hatte, zu den Schließfächern zu gehen.
    Um professionell und ruhig zu bleiben, wollte sie sich mit einem anderen Gedanken ablenken, wünschte sich dann aber sofort, ihr wäre keiner gekommen.
    Drew und sie hatten sich am Anfang ihrer Beziehung immer an der Bombe getroffen, nachdem sie mit verschiedenen Zügen angekommen waren. Sie wusste noch, wie es war, die Menge zu beobachten und dann plötzlich zu sehen, wie er auf sie zukam. Mit der Zeit schien der Altersunterschied immer unwichtiger, aber damals hatte er wirklich etwas von einem jungen Toy-Boy gehabt: er zweiundzwanzig, sie einunddreißig. Sie hatten sich beide auf eine leichtsinnige, unkomplizierte Beziehung eingestellt und den anderen nie auf seine Langzeittauglichkeit eingeschätzt – in ihrem Fall, weil sie sich mit ihm nach einer anderen, gescheiterten Liebe nur ein bisschen ablenken wollte, und in seinem, weil er, na ja, zweiundzwanzig war. Das nahm ihr den ganzen Druck, sie konnte die Zeit mit ihm einfach genießen. Es war lustig. Sie war lustig.
    Damals.
    Er war gestern Nacht nicht nach Hause gekommen. Er hatte um sieben angerufen und gesagt, dass ein paar Leute aus dem Londoner Büro sich Zimmer im Malmaison in Leith genommen hatten, und dass er das auch tun würde, damit sie einen trinken konnten. Sie hatte gesagt, klar, viel Spaß, amüsier dich gut. Ihre irrationale Seite hatte nachgegeben; sie hatte keine Angst mehr, dass er sich betrank und über eine andere herfiel – wenigstens keine große Angst. Aber die Nachricht, dass er nicht kam, machte ihr doch zu schaffen. Er wollte es ihr gar nicht heimzahlen, aber ihr schlechtes Gewissen legte es als gerechte Strafe aus – wenn sie in der letzten Zeit doch nur etwas netter zu ihm gewesen wäre, hätte er die letzte Bahn genommen.
    So hatte sie den Bahnhof noch nie gesehen – wie in einem Zombiefilm. Keine Menschen, keine Züge, keine Bewegungen. Aber auch keine Stille. In einem der Läden rechts von den Gleisen schrillte ein Alarm. Einer der starrsinnigen Wichtigtuer hatte sich den Anweisungen widersetzt und seine Alarmanlage scharfgestellt, und dann hatte sie wohl irgendein Uniformierter ausgelöst, der noch mal nach dem Rechten gesehen hatte.
    Die Schließfächer waren vor ein paar Jahren modernisiert worden und hatten jetzt alle elektronische Tastenfelder. Jeder Benutzer richtete selbst einen vierstelligen Code ein, und wenn er ihn vergaß, konnte ein Mitarbeiter das Schloss zentral entriegeln, und es musste kein Ersatzschlüssel besorgt werden.
    Als sie in den Bereich mit den Schließfächern kamen, zeigte sich zwischen den beiden Hunden ein extremer Unterschied. Während der eine methodisch auf und ab schnüffelte, zurückhaltend, als säße er neben dem Esstisch und wollte nicht allzugierig auf die Reste wirken, steuerte der andere schnurstracks auf ein Fach zu und kratzte daran, als säße drinnen eine heiße Hündin auf dreißig Kilo Filetsteak. Catherine wünschte, sie hätte aufgepasst, welcher Hund auf welche Substanz angesetzt worden war.
    Sie bekam ihre Antwort, als Cairns nicht den Sprengstoffräumdienst rief, sondern den Mitarbeiter, der das Fach öffnen sollte.
    Der sah blutleer vor Angst aus, und damit er ihnen nicht noch vor die Füße kotzte, klärte Catherine ihn an Cairns Stelle auf: »Alles okay. Sind nur Drogen.«
    Und verdammt noch mal, was für Drogen. Cairns zog einen mittelgroßen, anthrazitfarbenen Fiberglas-Rollkoffer hervor und legte ihn auf den Boden. Er öffnete den Verschluss, klappte den Deckel hoch, und gab den Blick frei auf Dutzende eng gepackte Quader von braunem Pulver in Paketband.
    »Scheiße«, sagte der Hundeführer, der sein Tier bändigen musste. Er hockte sich neben seinen Schützling, der sich daraufhin beruhigte.
    »Jackpot«, merkte Catherine an. Sie wussten es zwar erst genau, wenn sie einen Laborbefund hatten, aber Catherine ging davon aus,

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