Wer schlafende Hunde weckt
wusste, dass etwas am Laufen war, und auf seinen Einsatz wartete.
Er lächelte nicht, als er die beiden sah, sondern bedeutete ihnen nur mit einem kurzen Nicken, dass sie sich zu ihm setzen sollten. Er konnte nicht mit Sicherheit gewusst haben, dass Catherine ihn hier beim Frühstück besuchen würde, aber irgendwie hatte er sie erwartet. Bill Raeside hatte ihr Bescheid gesagt, dass Cairns etwas Neues über den Mord an McDiarmid wusste, aber wie er eben war, wollte er nichts am Telefon weitergeben und zog Orte wie diesen der langweiligen Zweckmäßigkeit einer Polizeiwache vor.
Catherine wusste, dass sie ihm den Gefallen tun musste. Wie sie Laura erklärt hatte, schien es wohl auf den ersten Blick unnötig, was sich aber als fataler Trugschluss herausstellte, wenn man die Sache ein bisschen genauer betrachtete. Zum einen musste man alten Hasen wie Cairns und Fletcher ab und zu nach der Pfeife tanzen, um sie bei Laune zu halten, vor allem, wenn man selbst ranghöher war. Diese Männer forderten Respekt und nahmen einen nur ernst, wenn sie glaubten, dass man wirklich wusste, was sie wert waren. Wenn man sie unterschätzte, hielten sie einen für einen Idioten und hatten damit meistens recht. Wenn sie einen also zueinem Treffen in einen versifften Imbiss einluden, nörgelte man nicht herum.
»Ein bisschen Ehrfurcht zahlt sich aus«, erklärte sie Laura. »Und mangelnder Respekt geht nach hinten los. Polizisten mit so reicher Erfahrung, so vielen Kontakten und einem so tiefen Verständnis des Systems haben einen inoffiziellen Rang, ganz egal, was auf ihrem Dienstausweis steht, und wenn man den nicht anerkennt, bezahlt man dafür. Wenn du dich mit solchen Leuten anlegst, betrachten sie es vielleicht nicht unbedingt als ihren Job, dich zu verarschen, aber auf jeden Fall als ein schönes Hobby.«
Im Zeitalter elektronischer Kommunikation war es besonders viel wert, sich persönlich mit Kollegen aus anderen Einheiten zu treffen, wann immer sich die Gelegenheit bot. Cairns und seinesgleichen hätten es nie so genannt, aber so funktionierte Networking. Man tauschte eben nicht nur einzelne, unabhängige Informationshäppchen zu spezifischen Anfragen aus wie Arbeiterameisen. Und vor allem kam so leichter mal ein kleines Quidproquo zustande. Wenn Cairns etwas hatte, horchte er einen auch immer gerne aus, ob man vielleicht eine Gegenleistung bieten konnte.
»Schön, dass es dir wieder besser geht«, sagte Catherine, nachdem sie zwei Kaffee bestellt hatte. »Als ich gehört hab, dass Bob Cairns ’nen Tag krank macht, dachte ich schon, die Welt geht unter.«
Cairns sah sie einen Moment fragend an, bevor er verstand, wovon sie redete.
»Nee, mir geht’s gut. Es ging auch gar nicht um mich – war eher ein Notfall in der Familie. Meine Jüngste hatte Probleme mit ihrer Bude. Sie ist in Preston an der Uni, fängt grad mit dem letzten Jahr an. Ist den Sommer über wegen ’nem Forschungsprojekt dageblieben. Auf jeden Fall ist ihre kleine Wohnung direkt am Fluss – wunderschön, bis mal Hochwasser ist. Hat jetzt ’nen halben Meter im Wohnzimmer stehen.«
Er trank einen Schluck Tee. Catherine merkte, wie er dabei zum Handy hinüberschielte.
»Erwartest du einen Anruf?«
Er rollte die Augen: und wie! Er wollte aber noch nichts verraten.
»Hab gehört, der kühne Abercorn wollte deine Hausaufgaben über den Mord an Jai McDiarmid abschreiben«, sagte er. »Schon rausgekriegt, was er vorhat?«
»Das bilde ich mir lieber nicht ein«, erwiderte sie. »Wenn man meint, man weiß, was Abercorn vorhat, hat er einen oft genau da, wo er einen will.«
Eine kalkuliert neutrale Antwort. Catherine würde niemandem verraten, dass sie vermutete, dass Abercorn Frankie Callahan deckte, schon gar nicht einem alten Hasen aus der Drogenfahndung. Jetzt genug davon, was Abercorn vorhat, dachte sie. Was hast du denn vor, Bob, und was erwartest du als Gegenleistung für deinen Tipp.
Die Beziehung von Drogenfahndung und Locust war so angespannt wie kompliziert. Cairns und Fletch genossen gerade den goldenen Herbst ihrer langen Karriere – eine Mischung aus Starsky & Hutch und Statler & Waldorf, wie Raeside es ausdrückte – und ernteten eine Menge Beifall von ihren Kollegen. Aber ihr Chef, Gerry Milligan, war ein genauso gerissener Politiker wie Abercorn, und die beiden hatten nur so lange freie Hand, wie es ihm passte. Der Leiter der Drogenfahndung wusste, dass ihre Verhaftungen und Beschlagnahmungen seine Einheit gut aussehen ließen, wie
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