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Wer schlafende Hunde weckt

Wer schlafende Hunde weckt

Titel: Wer schlafende Hunde weckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Brookmyre
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stand auf und ging aus dem Lokal, weg vom Gerede der Leute und vom Zischen der Kaffeemaschine.
    »Was ich nicht alles für die Nummer geben würde«, sagte Catherine, während sie Cairns beim Telefonieren im Eingang beobachtete. »Nicht, dass sein Kontakt irgendjemand anderem etwas verraten würde, aber ich würde schon gerne wissen, wer es ist.«
    »Nicht ganz so gern wie Dougie Abercorn«, erwiderte Laura, was Catherine grinsen ließ.
    Cairns beendete das Gespräch schon nach zwei Minuten und kam zurück. Catherine hatte ihn selten so aufgeregt gesehen.
    »Da ist wohl wirklich was los«, sagte er schnaufend. »Vielleicht verarscht er mich, aber vielleicht ist auch was los. Er verarscht mich sogar doppelt, weil er weiß, dass ich weiß, dass er mich vielleicht verarscht, ich aber auch nicht ignorieren kann, dass vielleicht was los ist.«
    »Bob«, ermahnte ihn Catherine. »Du brabbelst wirres Zeug. Wie ist die Lage?«
    »Er hat gesagt, in der Central Station liegt ein Paket im Schließfach. Hat gemeint, es könnte explosiv sein.«
    »’Ne Bombe in der Central Station?«, fragte Catherine. »Solche Leute soll der kennen?«

    »Der Kerl? Was weiß ich. Er hat aber nichts von ’ner Bombe gesagt. ›Könnte explosiv sein‹, genau das war’s. Hab dir doch gesagt, dass er nie klar und deutlich mit einem redet. Ist immer alles in Scheiße und Stacheldraht verpackt. Auf jeden Fall geh ich kein Risiko ein. Wir müssen evakuieren.«
    An einem Morgen unter der Woche die Glasgow Central Station evakuieren war leichter gesagt als getan; man konnte nicht einfach irgendwo einen Alarmknopf drücken und schon gingen alle brav zum Sammelpunkt. Sie mussten nicht nur den Bahnhof schließen, sondern auch alle Züge aufhalten, die einfahren wollten. Dazu brauchten sie die Kooperation der Transport Police wie auch die Autorisation von Scotrail, wofür Catherine als Detective Superintendent ihre strengste Ja-ich-mein’s-ernst-Stimme einsetzen musste.
    Niemand, der regelmäßig mit der Bahn nach Glasgow fuhr, würde sich allzu sehr darüber wundern oder gar Panik bekommen, wenn der Zug wenige Hundert Meter vor dem Bahnhof parallel zur Bridge Street stehen blieb. Allerdings könnte man es wohl ungewöhnlich finden, dass man beim Warten nicht wie sonst das Citizens Theatre anstarren und in Kindheitserinnerungen ans Weihnachtstheater schwelgen konnte, weil der Blick von einem halben Dutzend anderen wartenden Zügen versperrt wurde. Und das waren nur die, die schon fast da waren; jeglicher Verkehr in dieser Richtung musste angehalten werden, an jedem einzelnen Pendlerbahnhof der verschiedenen Strecken mussten die Bahnen warten.
    Darüber musste Catherine sich aber keine Gedanken machen – die paar Signale konnte jemand anders auf Rot schalten. Ein paar Hundert Leute aus dem Gebäude zu manövrieren, würde logistisch weit komplexer werden.
    Es war keine Zeit zu verlieren. Jeder Polizist, der innerhalb von fünf Minuten da sein konnte, wurde herbeordert, da blieb keine Zeit für Egos und Streit über Rang und Zuständigkeiten. Jetzt waren sie alle Freunde und Helfer. Catherine und Laura wiesen gemeinsam mit den uniformierten Schutzpolizisten die Reisenden zu den Ausgängen und suchten nach einzelnen Nachzüglern.
    Als alle über Lautsprecher aufgefordert wurden, das Gebäude zu verlassen und den Anordnungen der Polizei zu folgen, fiel Catherine auf, dass die Leute wieder »Passagiere« waren. Sie erinnerte sich noch daran, wie sich die Ansagen in ihrer Jugend in den späten Achtzigern von einem Tag auf den anderen plötzlich an die »Kunden« wandten. In dieser auffälligen ideologischen Sprachmanipulation hieß es dann: »Zugestiegene Kunden« und »Kunden, die auf den Express nach Carlisle warten«. Man erklärte doch seinen Kindern nicht, dass Leute im Zug Kunden genannt wurden. Diese schwerfällige Verzerrung schrie förmlich nach feigem vorauseilenden Gehorsam der Thatcher-Regierung. Sie wusste nicht, wann aus Kunden wieder Passagiere geworden waren, freute sich aber darüber. Passagiere konnte man aus dem Gebäude jagen, wenn eine Bombendrohung vorlag – »Kunden« hörte sich so an, als könnten sie selbst die Gefahr abwägen, wenn sie bezahlt hatten.
    Sie mussten aber nicht nur die Gleise und den Hauptsaal evakuieren. Heutzutage waren im Bahnhof mehr Läden, Pubs und Restaurants als in Catherines Jugend auf der Caldeburn Street. Es gab Sandwichläden, Zeitschriftenhändler, Friseure, Drogerien, eine Wechselstube,

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