Wer schön sein will, muss sterben
niemand flüsterte etwas direkt neben meinem Gesicht.
War es ein Traum gewesen? Oder eine Erinnerung? Hatte tatsächlich jemand über mir gestanden, als ich in dem Rosenstrauch gelegen hatte, und gesagt: »Jane Freeman, du bist so gut wie tot?«
Denn wenn es so gewesen war, bedeutete das, dass der Unfall kein Zufall war. Es bedeutete, dass ich von jemandem angefahren worden war, den ich kannte. Jemand, der meinen Namen kannte.
Mein Herz pochte. Wenn das wahr war, bedeutete das, dass einer meiner Freunde der Täter sein musste.
Beim Klang von Scotts Stimme fuhr ich zusammen.
»Du siehst aus wie jemand, der mitten in einer existentiellen Krise steckt. Oder du bekommst hier nicht genug zu essen.«
Es musste einer meiner Freunde sein
, wiederholte ich in Gedanken. Einer von den Freunden, die auf der Party gewesen waren. Das hieß: jeder außer Scott.
»Ich bin so froh, dich zu sehen!«, sagte ich. »Und wahrscheinlich liegt es an beidem.«
»Mit welcher existentiellen Krise haben wir es denn zu tun? Die ›Warum sind wir hier‹? Oder die ›Was soll ich mit meinem Leben anfangen‹?«
»Grundsätzlicher. Die ›Wer bin ich‹?«
»Oho, die ist wirklich schlimm. Wie kam es denn gerade jetzt« – er schielte auf die Uhr – »um Viertel vor acht an einem Sonntag dazu?« Er setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett und beugte sich vor. Die Ärmel seines weißen Hemdes waren hochgekrempelt und gaben den Blick auf seine verführerisch starken Unterarme frei.
»Der Killer hat heute wieder angerufen.«
»Ah.«
»Und schon vorher hat mir keiner geglaubt, aber jetzt, da sie die Einbrecher vom Supermarkt, also die Barney-Brüder, verhaftet haben, glauben sie mir wirklich nicht mehr.«
»Oh.«
»Diesmal hat der Killer gesagt: ›Du hast genau da gekniet. Du wolltest es genauso sehr wie ich.‹«
Er kniff die Augen zusammen und sog die Wangen ein. »Pfui.«
»Das bedeutet, dass es entweder tatsächlich der Killer ist – denn wie sollte irgendjemand sonst das wissen? Oder ich hab es erfunden, und es ist eine Botschaft aus meinem Unterbewusstsein, dass ich sterben wollte.«
Jetzt machte er große Augen. »Oh-oh.«
»Genau. Ich habe also zwei unangenehme Möglichkeiten zur Wahl. Aber es ist nicht wirklich wichtig, denn meine Mutter hält mich lieber für verrückt, als in Erwägung zu ziehen, dass es nicht die Barney-Brüder gewesen sind.«
Er lehnte sich zurück. »Auf jeden Fall ist das ein ziemlich bescheuerter Name. Ich meine, es würde nicht mal einen guten Bandnamen abgeben.«
Ich lachte. »Da hast du recht. Wenigstens haben sie es nicht geschafft, mich zu töten. Ich hätte ihren Namen wirklich ungern in meinem Nachruf haben wollen.«
»Deine Einstellung gefällt mir. Und ich habe eine Diagnose für deine existentielle Krise. Du bist ein Opfer des Auslöser-Klick-Syndroms.«
»Was ist das?«
»Du weißt doch, dass bei Digitalkameras der Auslöser noch ein Geräusch macht, wenn er gedrückt wird? Obwohl es sich dabei ursprünglich um das mechanische Geräusch der Linse beim Öffnen und Schließen handelt, das bei Digitalkameras einprogrammiert ist?«
»Ja.«
»Weil die Menschen gerne Orientierungspunkte haben. Sie wünschen sich, dass ihre Erwartungen bestätigt werden, wollen die Dinge aber nicht hinterfragen. So ist es offenbar gerade bei deiner Mutter. Aus irgendeinem Grund ist es wichtig für sie, dass dieser Unfall von Fremden verursacht wurde«, sagte er und fügte grinsend hinzu: »Selbst wenn sie einen idiotischen Namen haben.«
»Warum ist sie so?«
»Warum fragst du sie nicht?«
»So wäre es in einem Roman.« Ich dachte darüber nach. »Wenn ich doch nur etwas hätte, irgendeinen glaubhaften Beweis, der der Theorie widerspricht, dass es ein durch Fremde verursachter Unfall war.«
»Um deine Theorie zu untermauern, oder einfach um deine Mutter zu ärgern?« Ich warf ihm einen bösen Blick zu. Er zuckte mit den Schultern. »Ich frag ja nur. Was ist mit dem Auto, das dich angefahren hat? Es muss doch eine Delle oder so was haben?«
»Es gibt Beulen an dem Fluchtauto vom Supermarkt, die laut der Polizei ›passen könnten‹.«
»Aber sie haben aufgehört, sich andere Autos anzusehen.« Er dachte eine Weile nach. Zum millionsten Mal war ich beeindruckt, wie gut er aussah – besonders, wenn er nachdachte, eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. »Hör mal, denkst du wirklich, dass es jemand von der Party war?«
»Ich erinnere mich, dass jemand gesagt hat: ›Jane Freeman, du bist so gut
Weitere Kostenlose Bücher