Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
eigentlich beabsichtigt hatte, »ich bin gar nicht so sicher, wie eifrig Mrs Parry den Mörder der armen Madeleine gefasst sehen will. Sie ist eine gesetzestreue Bürgerin, zugegeben, auch wenn sie es vorziehen würde, wenn die Ermittlungen eingestellt würden und die Sache vorbei wäre. Die Aufmerksamkeit, die der Fall erregt, ist ein Ärgernis für sie. Eine Gerichtsverhandlung würde die öffentliche Neugier noch weiter entfachen, nicht wahr? Die Zeitungen wären voll davon. Ich kann sie sogar verstehen, obwohl es mir zuwider ist, wenn sie immer sich zuerst …«
Ich biss mir auf die Zunge, doch ich hatte bereits zu viel gesagt, und nun blieb mir keine andere Wahl, als fortzufahren. »Mein Eindruck ist, dass sie, falls überhaupt, verärgert und verlegen ist wegen Madeleines Verschwinden und Tod und weder Trauer noch Verlangen nach Gerechtigkeit verspürt. Wir hatten Neugierige am Dorset Square, genau wie in Agar Town, auch wenn sie nicht in so großer Zahl vor dem Haus erschienen sind. Das würde sich jedoch sicher rasch ändern, wenn die grässlichen Einzelheiten einer Gerichtsverhandlung die Tagespresse füllen würden. Die Adresse würde genannt werden, und noch mehr Leute würden zum Dorset Square kommen. Ihr Name als Madeleines Arbeitgeberin würde erwähnt werden. Sie würde es hassen.«
»Tatsächlich?«, murmelte Ross. Er betrachtete mich aufmerksam. »Und was denken andere Anwohner des Dorset Square über den gewaltsamen Tod von Miss Hexham?«
Ich erkannte, dass meine ungezügelte Zunge mich ein weiteres Mal auf einen gefährlichen Pfad geführt hatte. »Ich bin nicht sicher, ob ich dazu etwas sagen sollte«, erwiderte ich. »Ich kenne kaum einen der Anwohner. Ich bin schließlich erst am Dienstag in London eingetroffen, vergessen Sie das nicht.«
»In der Tat«, sagte Inspector Ross verwundert. »Sie hatten gleich eine Feuertaufe, alles, was recht ist. Aber Sie halten sich erstaunlich gut, wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben. Selbstverständlich würde ich nichts anderes von Dr. Martins Tochter erwarten. Und ich habe großen Respekt für die Ansichten und Meinungen von Dr. Martins Tochter, von der ich weiß, dass sie eine scharfsinnige Beobachterin mit guter Auffassungsgabe ist.«
»Ich weiß nicht, ob mir diese Beschreibung meiner Person gefällt«, entgegnete ich aufrichtig. »Allmählich glaube ich, dass ich viel zu offen sage, was ich denke. Aber nun ja, wenn es Sie interessiert, mein Eindruck ist, dass das Hauspersonal unterschiedliche Ansichten hegt. Bessie haben Sie bereits kennen gelernt. Sie mochte Miss Hexham. Ich denke, sie ist aufrichtig betroffen. Simms der Butler glaubt, die ganze Geschichte werfe ein schlechtes Licht auf das Haus. Die Dienerinnen genießen die Vorgänge, weil sie dadurch in ihrem Bekanntenkreis ohne Zweifel in den Mittelpunkt gerückt sind. Mrs Simms ist ein Drache, der in seinem Hort im Keller lauert, und ich weiß nicht, was sie denkt, aber wahrscheinlich das Gleiche wie ihr Mann. Nugent, die Zofe von Mrs Parry, hat keine Meinung geäußert. Ich denke, sie ist völlig damit zufrieden, sich um Tante Parry zu kümmern, ohne sich um irgendetwas anderes Gedanken machen zu müssen.« Ich brach ab und legte mir schuldbewusst die Hand auf den Mund. »Ich hätte das nicht sagen dürfen. Wie dem auch sei, Nugent ist so nett, mir beim Nähen zu helfen. Sie ist sehr geschäftig, das ist alles, was ich sagen wollte.«
»So viel also zum Souterrain«, sagte Ross. »Und oben? Sie haben mir verraten, was Mrs Parry Ihrer Meinung nach denkt. Was ist mit den anderen?«
Doch diesmal hatte er seine Frage zu unverblümt gestellt. Ich war schließlich keine Zeugin der Ereignisse, die er untersuchte. Auch war ich noch nicht lange genug in London, um mir eine auf Wissen und Erfahrungen basierende Meinung zu bilden. Bisher hatte ich kaum mehr als erste Eindrücke. Zuerst hatten Mrs Parry und ihr Verbündeter Fletcher versucht, mich auf ihre Seite zu ziehen, und nun wollte Ross mich rekrutieren.
»Ich denke«, sagte ich ernst, »dass Sie auf gewisse Weise ein skrupelloser Mann sind. Sie schmeicheln mir, erwähnen immer wieder meinen Vater, und dann erwarten Sie von mir, dass ich Ihnen Dinge erzähle, die ich besser für mich behalten sollte. Sie sind genauso schlimm wie Mrs Parry und dieser Fletcher in ihren Bemühungen, sich meine Unterstützung zu sichern!«
Das war unfair, und es wurde mir in dem Augenblick bewusst, in dem die Worte meine Lippen verließen – zu spät. Wenn
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