Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
Ich glaubte, ihn hinter mir herrufen zu hören, doch ich rannte weiter, so schnell ich konnte, bog um die erste Ecke, die ich erreichte, hastete die Nebenstraße entlang, bog erneut ab und noch einmal, in der Hoffnung, dass ich mich noch immer in die von mir beabsichtigte allgemeine Richtung bewegte, bis er weit hinter mir zurückgeblieben war.
Leider hatte ich auf diese Weise nicht nur Tibbett, sondern auch die Orientierung verloren und wusste nicht mehr genau, wo ich war. Der dichter werdende Nebel bedeutete, dass es keine Punkte mehr gab, an denen ich mich hätte orientieren können. Ich war allerdings immer noch überzeugt, dass ich in der richtigen Richtung unterwegs war, und so setzte ich meinen Weg fort. Bald jedoch schwand meine Zuversicht. Ich war gezwungen einzusehen, dass mein Richtungssinn mich im Stich ließ. Der Nebel hatte mich von allen Seiten eingehüllt wie ein neugeborenes Baby. Ich stellte fest, dass ich die Verwirrung dieses Babys teilte und mich in einer fremdartigen Welt wiederfand. Ich vermochte Nord und Süd nicht voneinander zu unterscheiden, nicht Ost und West, und ich wusste kaum, wo oben und unten war. Bewegte ich mich eine leichte Steigung hinauf? Oder hinunter in eine Seitengasse? Ich glaubte, mich in der Nähe der Oxford Street zu befinden, doch es war genauso gut möglich, dass ich mich von ihr entfernt hatte. Ich hörte keinen Lärm von Fuhrwerken, doch der Nebel erstickte jedes Geräusch und verlangsamte jegliches Vorankommen auf Kriechtempo, ob es nun auf zwei Beinen war oder in einem Fuhrwerk mit Rädern.
Ich streckte die Hand aus und ertastete zu meiner Rechten die raue Oberfläche einer Wand. Von nun an bemühte ich mich, ständigen Kontakt mit diesem einzigen festen Objekt zu behalten.
Dann, ohne Vorwarnung, rannte ich in eine andere Person.
»Es … Es tut mir leid!«, ächzte ich.
»Entschuldigen Sie sich nicht, meine Liebe«, sagte eine Männerstimme. »Sie haben sich doch hoffentlich nicht weh getan?«
»Nein, nein«, antwortete ich nervös. Irgendetwas gefiel mir nicht an dieser Stimme. Der Sprecher war nicht Tibbett – so viel stand fest –, und dafür war ich dankbar. Aber wer war dieser Mann?
Er war näher gekommen und ragte als dunkler Schatten in dem wirbelnden Nebel vor mir auf. Ein neuer Geruch drang in meine Nase, zusätzlich zu dem Gestank des rauchigen Nebels. Es war ein süßlicher, fauliger Geruch, der mich an die nasse Erde auf regengetränkten Friedhöfen erinnerte.
Er brachte seinen Mund dicht an mein Ohr. Ich spürte seinen schauderhaften Atem auf meiner Haut. Der Geruch wurde noch stärker, doch ich vermochte nicht zu sagen, ob es sein Atem war oder seine Kleidung, an der der Geruch von Toten haftete.
»Das ist kein Wetter, um allein durch die Straßen zu laufen«, sagte er beinahe flüsternd. »Kann ich Ihnen behilflich sein, meine Liebe? Warum kommen Sie nicht mit mir?«
Zu meinem Entsetzen kam eine Hand aus der Dunkelheit und packte mich am Ellbogen.
Ich versuchte, sie abzuschütteln, doch der Fremde packte mich nur umso fester. »Nein!« Ich brüllte fast. »Nein danke! Ich bin fast zu Hause!«
Er kicherte leise. Ich handelte instinktiv. Ich wirbelte herum und stieß mit den ausgestreckten Fingern meiner freien Hand in die Richtung, in der ich sein Gesicht vermutete. Ich hatte Glück. Wenigstens einer meiner Finger traf ihn im Auge.
Er fluchte laut und ließ mich los. Ich rannte in den erstickenden Nebel hinein, ohne zu wissen, was vor mir lag oder unter meinen Füßen und ob ich im nächsten Augenblick in ein Hindernis rennen oder in einen offenen Keller stürzen würde. Mein einziges Ziel war, dem Fremden zu entkommen.
Als ich endlich meine Schritte wieder verlangsamte und anzuhalten wagte, hämmerte mein Herz schmerzhaft in der Brust, doch es war nichts mehr zu hören. Keine Schritte, die mich verfolgten, kein Geräusch von Atem außer meinen eigenen, abgehackten Zügen. Er hatte es nicht geschafft, mir zu folgen – oder doch? War mein grauenvoller Angreifer näher, als ich ahnte? Stand er bewegungslos im Nebel wie ich und lauschte angestrengt auf das Geräusch meiner hastenden Schritte?
Und wo war ich jetzt, wo um Himmels willen? In einer irrsinnig gewordenen Welt voller Gefahren von allen Seiten. Ich würde nie den Weg nach Hause finden, und ich betete verzweifelt um Rettung. Ich hätte sogar Dr. Tibbett voller Erleichterung begrüßt, wenn er jetzt wieder aufgetaucht wäre.
Ein Rumpeln von Rädern und das Klappern von
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