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Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses

Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses

Titel: Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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machen, dass ich ihn dabei selbst beobachtete. Er hatte einen Schopf dunkler – oder vielleicht auch nur schmutziger – Haare, doch sein Gesicht war einigermaßen sauber. Seine Augen waren ebenfalls dunkel. Er hatte etwas Zigeunerartiges an sich. Hätte er mich einfach nur angestarrt – ›gegafft‹, wie Mary Newling es genannt hätte –, hätte ich das mit Gleichmut über mich ergehen lassen. Doch diese langsame, gründliche Art, studiert zu werden, machte mich irgendwie nervös.
    Vielleicht zeigte ich dies, denn nun fragte er gelassen: »Und wer bist du?«
    Die beiläufige Formulierung seiner Frage verärgerte mich noch mehr. Ich wusste, dass ich einen eigenartigen Anblick bieten musste, oben auf dem Einspänner mit einer Reisedecke um die Schultern und mit ungekämmtem Haar. Doch ich richtete mich stolz auf und verkündete von oben herab: »Ich bin Miss Martin. Dr. Martin ist mein Papa.«
    »Oh, aye«, sagte mein Gesprächspartner im gleichen gleichmütigen Tonfall. »Und was macht Miss Martin hier zusammen mit ihrem Papa?«
    »Das geht dich überhaupt nichts an!«, schnappte ich. »Du bist ein sehr unhöflicher Junge! Geh weg!«
    Bei diesen Worten grinste er unverschämt. Er hatte ein breites Lächeln, von Ohr zu Ohr, und seine Zähne waren weiß und gleichmäßig. Das war ungewöhnlich. Die einzigen Jungen von dieser Sorte, die ich vorher gesehen hatte, Straßenkinder, hatten wenigstens einen, meist zwei oder mehrere Zähne bei Prügeleien verloren. Er machte keinerlei Anstalten zu verschwinden. Ich beschloss, seine Anwesenheit zu nutzen, um mir ein paar Informationen zu verschaffen. Außerdem wollte ich mich gegen ihn durchsetzen.
    »Was ist das für ein Gebäude?«, fragte ich und deutete auf das große Steinhaus, in welches mein Vater gegangen war.
    Meine Unkenntnis schien den Jungen zu überraschen. »Na, das sind die Büros, was denn sonst?«
    »Und wer arbeitet dort?« Wenn er mich für unwissend hielt, dann sollte er eben. Ich wusste schließlich wirklich nicht, wie die Dinge hier in dieser Siedlung liefen.
    »Leute mit hübschen sauberen Händen«, antwortete der Junge trocken. »Gehen nie runter in die Grube, aber wissen alles darüber, wie man andere zum Arbeiten runterschickt.«
    Er schien zu einem plötzlichen Entschluss zu gelangen, kramte in seiner Tasche und zog einen kleinen mattgrauen Gegenstand hervor, den er mir reichte. »Hier, das kannst du haben, wenn du möchtest. Es bringt dir vielleicht Glück.«
    »Es ist ein Stück Schiefer«, sagte ich, eifrig darauf bedacht, ihm zu zeigen, dass ich etwas wusste; doch dann erkannte ich, dass es mehr war als das. In die Oberfläche eingedrückt war das Bild eines kleinen Farns, so deutlich und so perfekt in jeder noch so winzigen Einzelheit, dass ich unwillkürlich einen ungestümen Ruf des Entzückens ausstieß, was dem Jungen ein noch breiteres Grinsen entlockte.
    »Dann ist es also kein Schiefer, hm?«, fragte ich verwundert und nicht wenig verlegen, weil ich doch so erfreut gewesen war, es identifiziert zu haben.
    Er zuckte mit den hageren Schultern. »Es ist Schiefer. Hier findet man jede Menge von diesen Steinen. Man spaltet sie auf, und wenn man ein wenig Glück hat, findet man so was im Inneren.«
    Genau in diesem Augenblick kam mein Vater wieder aus dem Gebäude, begleitet von einem stämmigen Mann, der fast so breit wie groß war. Der Fremde trug einen zerknitterten Gehrock und, womöglich, um den Eindruck von Körpergröße zu erwecken, einen sehr hohen Seidenhut, der völlig fehl am Platze wirkte. Er hatte eine Tonpfeife im Mund, doch sie schien nicht zu brennen. Er kaute auf dem Mundstück, als wäre dies ihr einziger Zweck, was seinen streitlustigen Gesichtszügen eine zusätzliche grimmige Note verlieh. Ich wusste nicht, wer dieser Mann war, doch ich erinnere mich daran, dass mir sein Anblick nicht besonders gefallen hat. Allerdings wurde mir auch sogleich bewusst, dass er jemand war, der etwas zu sagen hatte. Die kohlenstaubverschmierten Bergleute, die sich miteinander unterhalten hatten, verstummten wie auf ein Signal hin und starrten ihn an; dann bewegten sie sich langsam und lautlos zur Seite und wandten ihm den Rücken zu.
    »Ich bin weg!«, sagte mein Gesprächspartner dann auch prompt und verschwand. Das Pony und mich ließ er allein.
    Ich hoffte, Inspector Ross würde sich heute bei seiner Suche nach dem Mörder von Madeleine Hexham als hartnäckiger erweisen und nicht in Deckung springen, wie es der schmutzige Junge

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