Wer sich nicht fügen will
warf einen Blick in den Kühlschrank: Dort stand nur Milch. Seit meinem sechzehnten Lebensjahr trank ich Milch nur noch im Kaffee. Jetzt würgte ich ein Glas herunter, obwohl ich es noch widerlicher fand als Blutgrütze. Am Computer im Konferenzraum überprüfte ich ein bestimmtes Datum. Dann zog ich Handschuhe über und widmete mich Tero Sulonens Handy. Es war abgeschaltet, ich brauchte den PIN-Code. Vielleicht hatte Sulonen Lulus Geburtstag gewählt, eins-fünf-eins-eins. Ich probierte es. Treffer!
Natürlich würden wir die Verbindungsdaten überprüfen, aber das Handy lieferte womöglich schon interessante Informationen, etwa im Namenverzeichnis oder unter den Mitteilungen. Ich begann mit der Namensliste. Der erste Name war Lulu. Dann kamen Mäki, Männe und O.-P. Schatzilulu, Taxi. Sonst nichts. Ich ließ mir die Nummern anzeigen. Unter Lulu war die Handynummer gespeichert, die wir bereits kannten. Aber Schatzilulu? Die Nummer war mir völlig unbekannt. Lulu hatte also offenbar ein zweites Handy gehabt. Wo war es?
Ich ging an den Computer und gab die Nummer von Schatzilulu ein. Da sich zunächst keine Angabe fand, loggte ich mich in das Register der Geheimnummern ein und wurde fündig: Der Anschluss war auf Lilli und T. Sulonen registriert. Die Teledaten konnte ich leider erst am nächsten Morgen beantragen. Probeweise rief ich mit Sulonens Handy bei »Schatzilulu« an, ohne wirklich zu erwarten, dass sich jemand melden würde. Nach ein paar Klingeltönen schaltete sich der Anrufbeantworter ein. »Bitte hinterlassen Sie Ihre Nachricht nach dem Signalton. Please leave a message after the signal.« Es war unverkennbar Lulus Stimme.
Am liebsten hätte ich laut gejubelt. Irgendwer hatte Lulus Zweithandy im Besitz, und sobald die Genehmigung vorlag, konnten wir es mit dem GPS-System orten. Der Mörder war doch wohl nicht so dumm gewesen, es zu behalten? Vielleicht hatte er es irgendwo in den Wald geworfen. Nein, wenn auf dem Handy Informationen gespeichert waren, die nicht bekannt werden sollten, ergab das keinen Sinn. Oder hatte Lulu das Gerät irgendwo versteckt? Wo?
Die Liste der Gespräche auf Sulonens Handy bestätigte, was wir bereits wussten. Während ich sie durchsah, setzte sich Koivu, der sein Telefonat beendet hatte, neben mich.
»Ist noch Kaffee da?«, fragte er und schüttelte die Thermoskanne. »Verdammt, da hat wieder einer die letzte Tasse getrunken und keinen neuen aufgesetzt! Mann, was gäbe ich jetzt für eine Fleischpastete und ein kühles Helles!« Er holte eine Filtertüte aus dem Schrank, goss Wasser in die Kaffeemaschine und schaufelte eine derartige Menge Kaffee in den Filter, dass mein Magen aufschrie. »Schöne Grüße von Mauri Hytönen. Er war auf der Fahrt nach Estland, ungefähr bei Heinola, als auf Sulonen geschossen wurde. Seine Mitarbeiter können das bestätigen. Ist eigentlich auch egal, denn um schneller nach Espoo zu kommen als ihr, hätte er schon einen Hubschrauber gebraucht.«
»Richtig, aber warum hat Sulonen ihn angerufen?«
»Um ihn zu fragen, ob er im Voraus darüber informiert war, dass Lulu an der Talkshow teilnehmen würde. Offenbar hat Sulonen versucht, den Fall auf eigene Faust zu lösen. Natürlich hat er Hytönen beschuldigt und auch bedroht, aber der hat es mit Humor genommen. Behauptet er jedenfalls. Während der Überfahrt nach Estland war er telefonisch nicht zu erreichen. War es klug, ihn ausreisen zu lassen?«
»Ich glaube nicht, dass er unser Mann ist. Obwohl … er könnte natürlich Kontakte zur russischen Mafia haben.« Ich legte die Finger an die Schläfen und massierte die Haut an den Augenwinkeln, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. »Und Frau Saarnio? Was hatte sie zu sagen?«
»Sie meldet sich weder am Handy noch am Festanschluss. Sollten wir zu ihr fahren? Ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen und erklärt, worum es geht.«
»Das muss für heute genügen, wir probieren es morgen früh nochmal. Ich kann mir Riitta Saarnio sowieso nur schwer mit einer Schleuder vorstellen. Weißt du zufällig, wie viele Vernehmungen noch ausstehen?«
»Ville hat vorhin von neun gesprochen. Mira sagt, im Lauf des Abends hätten sich noch mehr Zeugen gemeldet, aber die werden erst morgen befragt. Um diese Zeit kann man anständige Bürger nicht mehr behelligen.«
Die Lichter des Konferenzraums wirkten überhell. Draußen herrschte dagegen völlige Dunkelheit, denn die Fenster lagen zum Wald. Auf den Tischen standen gebrauchte Kaffeetassen und Teller
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