Wer sich nicht fügen will
mit Kuchenkrümeln und Petersilienstängeln. In einer Tasse klebte ein Kaugummi.
»Die Technik war am Bahnhof, Rasilainen und Airaksinen auch. Sie haben nichts Besonderes entdeckt, allerdings waren die Bahnbeamten, die Frühdienst hatten, natürlich schon nach Hause gegangen und können erst morgen befragt werden. Jemand, der dauernd eine Telefonzelle benutzt, könnte ihnen aufgefallen sein, wo doch heute jeder ein Handy hat.« Koivu warf einen hoffnungsvollen Blick auf die Kaffeemaschine und sah dann zur offenen Tür hin.
»Sag mal, Maria, wie ist das nun mit Antti und dir? Hat sich die Geschichte geklärt?«
»Nee. Aber ich hab sicher bloß Gespenster gesehen.« Ich wich seinem Blick aus und ärgerte mich, weil ich meinen dummen Verdacht überhaupt erwähnt hatte. Koivu fasste mich am Arm, so fest, dass ich gegen den Impuls ankämpfen musste, mich loszureißen.
»Maria, eins haben wir in unserem Beruf wohl gelernt: Man kennt keinen Menschen voll und ganz«, sagte er leise, und seine Stimme zwang mich, ihm in seine freundlichen blauen Augen zu schauen. Dann ließ er mich los und stand auf, um den Kaffee zu holen. Er fragte, ob ich auch eine Tasse wollte, aber ich lehnte ab. Es war besser, nach Hause zu fahren, auch wenn die Kinder längst schliefen. Meine Schwiegermutter verbrachte die Nacht auf einer Matratze im Kinderzimmer. Ich hatte sie gebeten, doch lieber in unserem Ehebett zu schlafen, doch sie meinte, sie sei allemal rüstig genug für das Matratzenlager.
Bevor ich mich auf den Weg machte, ging ich im Intranet rasch die neuesten Vernehmungsprotokolle durch, die jedoch nichts Neues enthielten. Ich wollte gerade das Licht ausmachen, da kam jemand hereingerannt.
»Gibt’s hier Kaffee?« Es war Hakkarainen von der Spurensicherung. »Ihr habt vielleicht Aufträge für uns! Eine öffentliche Telefonzelle am Bahnhof, du liebe Güte! Jede Menge Abdrücke, klar, einer war sogar zu identifizieren. Er stammt vom guten alten Köpi Nykänen, einem kleinen Ganoven, der schon in den Sechzigern zugange war. Ein Wunder, dass der überhaupt noch lebt. Aber ich glaub nicht, dass er euer Mann ist. Ich hab extra nochmal nachgesehen: Er hat nur Eigentumsdelikte auf dem Kerbholz. Für die anderen Fingerabdrücke gibt es keine Übereinstimmungen. Hättest du gern DNA-Tests? Wir haben nämlich auch ein paar Haare und Hautpartikel gefunden. Kaartamo wird sich freuen, wenn er hört, was der Spaß kostet.«
»Kaartamo kann mich mal. Na, ich überleg’s mir bis morgen früh.« Ich versuchte ein Gähnen zu unterdrücken, was mir aber nicht ganz gelang; vielmehr steckte ich auch Hakkarainen damit an.
»Wann kommt eigentlich Taskinen zurück?«, fragte er plötzlich. Ich konnte ihm nur sagen, bis wann Taskinen beurlaubt war, alles andere war pure Spekulation. Langsam ging ich die Treppe zum Erdgeschoss hinunter und dehnte dabei die Beinmuskeln. Bei jeder zehnten Stufe musste ich gähnen.
Aus der Eingangshalle drang Lärm. Vor dem Schalter des Diensthabenden stand eine junge Frau und jammerte weinerlich:
»Ihr müsst mir helfen, eh die mich auch umlegen! Sperrt mich wenigstens ein, na los, verhafte mich, ich hab mich grad eben auf der Straße verkauft, hier, zwanzig Euro hab ich fürs Blasen gekriegt.« Sie fischte einen Schein aus dem BH. Ich ging näher heran, blieb aber an der Glastür zur Eingangshalle stehen. Die Augen des Mädchens wirkten fast schwarz, denn die Pupillen waren unnatürlich groß. Schweiß und Tränen hatten die Schminke verlaufen lassen. Das Mädchen trug nur eine kurze Lederjacke, ein Top, das knapp unter den Brüsten endete, und eine enge rote Satinhose. Der Zehnzentimeterabsatz am linken Stiefel war schief. An ihrem mageren Hals klopfte eine Ader in rasendem Tempo, der Puls war mindestens auf hundertfünfzig.
»Nun beruhigen wir uns erst mal«, sagte der Diensthabende Nyyssönen in väterlichem Ton. Auch er hatte bemerkt, dass das Mädchen unter Drogen stand.
»Aber Lulu und Tero sind tot und das russische Mädchen auch. Ich bin als Nächste dran! Die sind hinter mir her! Warum glaubst du mir nicht?«
Als ich die bekannten Namen hörte, öffnete ich die Glastür und rief Nyyssönen zu:
»Ich rede mal mit der jungen Dame. Sie scheint Informationen zu haben, die für meine Ermittlungen wichtig sein könnten. Komm rein«, wandte ich mich an das Mädchen. »Bist du eine Freundin von Lulu Nightingale und Tero Sulonen?« Statt einer Antwort heulte sie laut los. Ich schob die Kleine durch die Glastür,
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