Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
Vom Netzwerk:
Hagebutten auf meine Schwestern zu schießen.
    »Sieht aus wie eine Schleuder …«, meinte die Ärztin zögernd.
    »Genau. Aber das hier ist keine von der gewöhnlichen Sorte, sondern eine italienische Jagdschleuder. Ich habe mal so eine ausprobiert. Ist in Finnland illegal, aber in den anderen EU-Ländern hat man es noch nicht geschafft, sie zu verbieten. Das Ding wird unter anderem bei der Vogeljagd benutzt, weil erstens die Beute weniger stark beschädigt wird als beim Einsatz von Schrot und weil es zweitens keinen Lärm macht, der die Vögel aufschrecken würde. Die Kugel hat genau die richtige Größe.«
    »Aber kann man mit so einer Schleuder einen ausgewachsenen Mann erledigen?«, fragte ich ungläubig.
    »Auf die Entfernung ohne weiteres. Eine Schleuder lässt sich außerdem leicht verstecken, zum Beispiel in der Manteltasche, und der Schuss fällt kaum auf: kein Pulverdampf, kein Knall. Der Täter muss sie zwar hochhalten, um zu zielen, kann sie aber schon wieder wegstecken, bevor die Kugel ihr Opfer erreicht hat.« Söderholms Augen glänzten vor Begeisterung. »Maria, versprich mir, dass ich mit dem Kerl reden darf, wenn du ihn geschnappt hast! Ich will wissen, woher er das Ding hat und wie er auf die Idee gekommen ist, es zu benutzen. So ein Fall ist mir noch nie untergekommen! Die Kugel bring ich vorläufig in die Asservatenkammer.« Mittlerweile hatte er die Zigarette im Mundwinkel hängen wie ein französischer Filmstar. Ich rechnete beinahe damit, dass er sie in seinem Eifer zerbiss.
    »Ich muss natürlich noch genauere Untersuchungen anstellen, aber ich bin mir so gut wie sicher. Was insofern Pech ist, als Schleudern nicht registriert sind, aber das gilt ja für andere illegale Waffen auch.«
    »Deutet die Tatwaffe deiner Ansicht nach auf einen Berufsverbrecher hin? Weißt du, ob Schleudern in Russland legal sind?«
    »Wird überprüft. Ich würde eher auf jemanden tippen, der Sinn für Humor hat. Wie gesagt, lass mich mit dem Kerl sprechen, wenn es so weit ist. Reicht es, wenn ich die Tests morgen früh mache? Unser Jüngstes hat seit zwei Wochen Mittelohrentzündung, ich hab nicht viel Schlaf gekriegt, weil meine Frau Nachtschicht hatte. Heute ist sie zum Glück zu Hause.« Söderholm sah Miasofia Hietamäki an und fragte: »Machst du auch Krebsoperationen?«
    »Nur Gehirntumore.«
    »Schade. Du hättest mir ein Schockfoto von einem Lungenkrebs zeigen können, vielleicht hätte mir das geholfen, vom Rauchen loszukommen. Aber jetzt muss ich mir unbedingt eine anstecken. Man sieht sich, Ladys!«
    Söderholm winkte lässig und verschwand. Tero Sulonen war mittlerweile auf die Intensivstation verlegt worden, und nachdem ich lange genug darauf beharrt hatte, durfte ich zu ihm. Ich wusste selbst nicht, warum mir so viel daran lag, denn unter Verbänden und Schläuchen war nur sein Gesicht zu sehen, das sich im Krankenhausbett merkwürdig klein ausnahm. Ich trat an das Bett. Die Maschinen zeigten, dass Herz und Lunge arbeiteten, doch auf den ersten Blick hätte man nicht sagen können, ob Sulonen noch lebte. Aber als ich meine Hand ganz nah an sein Gesicht führte, spürte ich die Wärme seiner Haut.
    »Nicht aufgeben, Tero«, murmelte ich leise. »Du musst noch viele Gedichte schreiben, und einen Gedenkvers für Lulu. Bleib am Leben!«
    Sulonens Sachen warteten in der Kleiderkammer der Station auf die Weiterbeförderung ins Präsidium. Ich lieh mir Latexhandschuhe und eine Schutzhaube, bevor ich sie inspizierte. Obwohl die Jacke vom getrockneten Blut steif war, steckte ich die Hand in jede Tasche, fand aber nichts. Die Boots waren abgelatscht, die Jeanstaschen leer. Die Unterhose hatte ein Mickymaus-Muster. Brieftasche und Handy lagen separat in einem Beutel.
    »Die nehm ich gleich mit«, erklärte ich, und die Stationsschwester erhob keinen Einspruch. Ich schrieb ihr eine Empfangsbestätigung, dann fuhr ich durch die Dunkelheit zurück zum Präsidium.
    Mein Magen knurrte, die Kaffee- und Schmerzmitteldiät behagte ihm nicht. Ich hätte viel für ein Glas Buttermilch gegeben. Antti hatte inzwischen noch einmal versucht, mich anzurufen, aber keine Nachricht hinterlassen. Ich hatte ohnehin keine Zeit, an ihn zu denken, mein Gehirn konzentrierte sich ganz auf die Ermittlungen. Ich fuhr durch die leeren Straßen, ohne mich um Tempolimits zu kümmern, und freute mich über die Sterne, die zwischen den Lichtern der Stadt hervorblinkten.
    Der Konferenzraum war leer bis auf Koivu, der gerade telefonierte. Ich

Weitere Kostenlose Bücher