Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
habe gleich gesagt, daß ich bereit bin, alles zu gestehen, was sie wollen. Sag mal, haben die dich tatsächlich für einen Bruder gehalten?«
»Scheint so.«
Smiley lachte, daß es von Napoleons Bauch zurückhallte. »Du ein Revolutionär, Tiny? Ich möchte wetten, es gibt in ganz Chicago, ach was, in den ganzen Staaten niemand, der so konservativ ist wie du. Und dafür haben wir eine Woche gesessen!«
»Du sollst eine anständige Entschädigung bekommen«, versprach Timothy.
»Nee, laß man, Tiny. Du bist geschädigt genug. Wenn uns Puissant nicht verlorengegangen wäre, hätte sich das Theater wenigstens gelohnt. Inzwischen hat bestimmt ein anderer die Viertelmillion kassiert.«
»Und er könnte uns jetzt was zu essen machen«, seufzte Timothy, »etwas ganz Exquisites, versteht sich, Nasi Goreng oder Straßburger Gänseleberpastete oder Kartoffelpuffer –«
»Ich wär’ für ’ne Suppe«, fiel Smiley ein. »Du hast mir mal eine gekocht, mit Zwiebeln, glaub’ ich.«
»Eine französische Zwiebelsuppe, mit Käse überbacken. Ja, das wär’ auch nicht schlecht. Oder westfälische Erbsensuppe mit Rauchfleisch –« Timothy brach mitten im Satz ab, schnupperte, sah Smiley an, schnupperte noch einmal. »Ich glaube, die haben mich doch verrückt gemacht. Ich bilde mir tatsächlich ein, es riecht nach Kohl!«
»Ich wollt’ nichts sagen, Tiny, weil ich dachte, ich spinne, aber mir geht’s genauso.«
Er sprang auf und stürzte zur Küche. Timothy schleppte sich, so schnell er konnte, hinterher, in der Tür blieb er wie vom Blitz getroffen stehen. Vor dem Herd saß niemand anderes als Puissant. Er hatte sich ein weißes Tischtuch wie eine riesige Serviette um den Hals gebunden; seine Nase glühte tiefrot.
»Wird Zeit, daß Sie kommen, Mister Winzig«, sagte Puissant mit ein wenig schwerer Zunge. »Wenn Sie noch etwas von Ihrem Rotwein abhaben wollen, müssen Sie sich ranhalten. Den Beaujolais habe ich schon geschafft, im Moment teste ich Ihren Burgunder.« Er machte eine einladende Geste. »Kommen Sie doch näher, meine Herren. Ganz gemütlich hier, wenn auch ein bißchen niedrig für einen ausgewachsenen Mann. Aber sonst: à la bonheure! Mein Kompliment, Mister Truckle.«
»Sagen Sie ruhig weiter Winzig«, schlug Timothy vor. »Alle meine Freunde nennen mich Tiny.« Er mußte sich schnell hinsetzen. Er war doch noch verdammt schwach. »Das ist Smiley.«
»Kann er auch kochen?«
»Nee«, antwortete Smiley, »aber essen für drei. Was kochen Sie denn gerade?«
»Ukrainischen Borstsch. Aber es wird nicht reichen; ich habe nicht mit Besuch gerechnet. Wenn Sie mir eine halbe Stunde Zeit geben... Haben die Herren einen besonderen Wunsch?«
»Wir sprachen gerade über westfälische Erbsensuppe mit Rauchfleisch.«
»Du irrst«, sagte Smiley, »von Zwiebelsuppe war die Rede.«
Puissant sah belustigt von einem zum anderen. »Na gut, also für Sie Erbsensuppe und für Sie eine Zwiebelsuppe. Vielleicht machen Sie sich inzwischen ein wenig frisch? Ich denke, das Bad finden Sie allein.«
Timothy ließ Smiley den Vortritt. »Das also wollte Napoleon mir noch mitteilen«, sagte er dann. »Wie lange sind Sie schon hier?«
»Seit jenem Nachmittag. Wenn ich mich nicht täusche, ist es heute der siebente Tag. Sie hatten doch gesagt, daß Sie im ’Nebraska‹ wohnen. Ihren Namen herauszubekommen war nicht schwer. Als ich mich an Ihrem Appartement meldete, ging die Tür auf. Unvorsichtigerweise trat ich ein und war gefangen. Machen Sie das immer so?«
»Napoleon hatte keinen Auftrag, jemand hereinzulassen.«
»Das hat er mir auch gesagt. Und daß er keinen Auftrag hätte, mich wieder gehen zu lassen, und eine Eigenmächtigkeit sei genug. Ich wollte mir schon mit Gewalt den Ausgang erzwingen, aber als ich Ihr Appartement besichtigte, stieß ich auf die Küche und die Weinvorräte, und da sagte ich mir: Wenn er dich schon einlädt, dann soll er’s auch ausbaden. Sind Sie sehr sauer? Ich meine, wegen des Beaujolais! Aber ich konnte einfach nicht wiederstehen.«
»Schon gut. Ich bin froh, daß Sie da sind. Sie haben es hoffentlich nicht eilig.«
»Ich komme immer noch früh genug zu Henry Six zurück. Erst wollen wir mal unsere Wette austragen.«
»Aber vorher essen. Sie können sich nicht vorstellen, was ich für einen Kohldampf habe.«
»Dann probieren Sie mal gleich den Borstsch. Ich koche inzwischen die Suppen. Was halten Sie von paniertem Schinken in Burgunder als zweiten Gang?«
Doch Timothy bekam keinen
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