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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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ist schon wieder etwas – eine Attraktion!«
    Napoleon begrüßte sie mit einem Räuspern. Timothy nahm den Streifen aus dem Geber, hielt ihn Smiley hin. »Kannst du das lesen? Ich nicht. Die Buchstaben tanzen ja. Die tanzen einfach!«
    »Du bist blau«, erklärte Smiley, »das ist alles. Du brauchst einen Schnaps. Wo steht dein Whisky?«
    Timothy nestelte an Napoleon herum. »Ich will dir ausnahmsweise einmal erlauben, mit mir zu reden. Was willst du?«
    »Sir«, tönte Napoleon, »Sie hatten mich gebeten, meine Kenntnisse in bezug auf Talkum zu vervollständigen. Talkum ist ein monoklin kristallisierendes, blättrige Aggregate bildendes Mineral, das sich fettig anfühlt, ein stark wasserhaltiges Magnesiumsilikat der Formel 3 MgO 4 SiO2 • H2O. In gemahlenem Zustand wurde Talkum früher als absorbierender Grundstoff und als Füllmittel in Pudern, Pasten, Schüttelmixturen und Tabletten verwendet, auch als Gleitmittel für Gummi und Plast, zum Beispiel bei Operationshandschuhen, Taucheranzügen und Gymnastikbekleidung. Gestatten Sie, Sir, daß ich mir dazu eine Bemerkung erlaube?«
    »Ich gestatte nicht«, knurrte Timothy. Er ließ den Servicewagen heranrollen.
    Smiley begutachtete die Flaschen. »Da haben wir ja alles, was das Herz begehrt«, sagte er. »Ich verstehe nicht, warum du in diese teure Bar gehst. Nur wegen des Sonnenuntergangs?«
    »Und weil da meine Kundschaft sitzt. Heute abend waren mindestens zehn Milliarden Dollar dort versammelt.«
    »Du bist zu ehrgeizig, Tiny. Wenigstens beim Whisky soll man nicht an Arbeit denken. Wozu auch? Du hast doch alles: ein Appartement im ’Nebraska‹, sogar über dem Smog, einen eigenen Computer, ein Mausoleum, Aufträge, soviel du willst, Erfolg, Geld.«
    »Nur das Wichtigste«, sagte Timothy leise, »das habe ich nicht: Liebe.«
    »Wer Geld hat, hat auch Liebe, wenn er nur will.«
    »Du meinst Sex, Smiley. Liebe kann man nicht kaufen.«
    Smiley legte die Hand auf Timothys Arm. »Entschuldige, Tiny. Komm, wir trinken noch einen. Was ist eigentlich los mit diesem Unterschenkel?«
    »Wenn ich das nur wüßte.« Timothy rieb sich die Nasenspitze. »Warum läßt einer einen Unterschenkel stehlen, wenn er ihn fast umsonst von der PUBLIC HEALTHFARE bekommen könnte? Das hat nur einen Sinn, wenn die Operation illegal ist. Warum illegal? Einen Unterschenkel kann man sich ganz öffentlich ersetzen lassen. Ja, wenn es eine Gesichtsveränderung wäre! Warum tauscht man das Bein zweimal um? Warum läßt man nicht gleich das richtige stehlen? Obendrein scheint es überhaupt niemanden zu geben, der ein Bein dieser Größe braucht!«
    Napoleon räusperte sich.
    »Was willst du?« fragte Timothy.
    »Wenn niemand einen Unterschenkel dieser Klassifikation benötigt«, tönte Napoleon, »dann ist das Transplantat mit größter Wahrscheinlichkeit jemandem zugedacht, der es erst benötigen wird.«
    »Vielleicht ’ne Selbstverstümmelung, was? Zuerst wollte der Mann sein kurzes Bein nehmen, dann lieber eins seiner großen und schließlich nicht das linke, sondern das rechte.«
    »Laß doch den ollen Napoleon«, grölte Smiley, »der ist ja besoffen.«
    6.
    Der Notruf holte Timothy aus dem Bett. Paddington war am Apparat.
    »Entschuldigen Sie, Tiny, kann ich für einen Augenblick herunterkommen? Ich rufe aus der Halle an. Es ist sehr wichtig.«
    »Dann müssen Sie warten, Edward. Ich brauche mindestens eine halbe Stunde.«
    Timothy schaffte es in zwanzig Minuten, Smiley wachzurütteln und hinauszuwerfen, sich zu duschen, anzuziehen und die Wohnung halbwegs aufzuräumen. Als der Professor kam, stand schon der Tee auf dem Tisch.
    »Ich weiß nicht, ob es Sie noch interessiert«, sagte Paddington, »aber es gibt doch eine Möglichkeit für eine Transplantation. Ich habe mir gleich ein Aerotaxi bestellt, als ich es erfuhr.« Er machte eine beruhigende Handbewegung. »Ich habe gut aufgepaßt. Niemand ist mir gefolgt.«
    »Sehr gut«, lobte Timothy.
    »Der OP-Saal der UNIVERSAL-Klinik in der Dreiundachtzigsten Straße wurde für übermorgen in der Frühschicht gesperrt, angeblich wegen einer Reparatur. Die vorgesehene Operation wurde abgesetzt, das Team hat außerplanmäßigen Urlaub bekommen.« Paddington sah Timothy triumphierend an. »Dieser OP-Saal war schon am vorigen Freitag aus dem gleichen Grund gesperrt. Es wurde aber nichts repariert!«
    »Einen Moment«, sagte Timothy. »Mittwoch abend wurde zum erstenmal ein Unterschenkel bei Ihnen gestohlen, nicht wahr?«
    »Und Donnerstag früh

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