Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
private Lift des Chefs. Er führt direkt aus der Halle des ’Union‹ in das Arbeitszimmer, aber er ist ebenso wie der Safe mit Identicat-Sicherungen versehen. Niemand als Abraham Dayton konnte die Türen öffnen, nicht einmal sein Sohn oder seine Frau.«
»Und es hat auch niemand den Lift benutzt?«
»Wie sollte er? Die Sicherungen sind unverletzt. Die LIFELONG-Techniker versuchen schon seit zwei Tagen, den Lift zu öffnen. Trotzdem stand der Safe offen!«
»Was fehlt?«
»Bargeld. Nicht viel, ein paar Tausende. Aber die Juwelensammlung. Kein Mensch weiß, wieviel die heute wert ist. Allein nach dem ’Tiffany‹-Katalog nicht unter dreihundert Millionen, und der ist schon über zwanzig Jahre alt. Dann das Testament. Die Aktien, Schecks, Permits und die Privatakten wurden nicht angerührt. Es scheint nur eine Erklärung zu geben: Der Tote ist von seiner Bahre aufgestanden und hat selbst den Safe ausgeräumt. Aber Tote stehlen doch nicht, oder?«
Sniders hatte sich kaum ausgeschaltet, da erschien Abraham Dayton auf dem Bildschirm in Timothys Schlafzimmer.
Die Grimasse, die Dayton schnitt, als Timothy bei seinem Anblick in ein zwischen Dröhnen und Schrillen hin- und hergerissenes Lachen ausbrach, hätte Dayton in jedem Allstar-Wettbewerb den ersten Platz für das dümmste Gesicht eingebracht. Timothy gab sich Mühe, ihn zu besänftigen.
»Sie sind nun schon der dritte, der mich für diesen Fall interessieren will«, erklärte er. »Ich habe noch nie so viele Klienten für ein und denselben Fall zur Auswahl gehabt. Und noch nie so lukrative Angebote.«
»Arbeiten Sie für mich. Ich werde alle anderen überbieten.« Abraham Daytons Stimme klang so lieblich wie das Bellen eines Foxterriers.
»Das wird nicht einfach sein«, erwiderte Timothy. »Der eine meiner möglichen Klienten bietet einen Platz auf der Kundenliste von CHALLENGERS, der andere bei WILDCAT.«
»Wenn Ihnen daran liegt«, sagte Dayton, »besorge ich Ihnen einen Platz bei BRIAND.«
»Nicht schlecht. Das würde die Käse-Frage lösen, von den Salaten, Artischocken und von Spargel gar nicht zu reden.«
»Sie nehmen also an?«
»Ja, als Prämie. Ich habe soeben beschlossen, in diesem Fall mein eigener Klient zu sein und von anderen nur Prämien zu kassieren, zumal die Spesen von der LIFELONG übernommen werden.«
»Hauptsache, Sie vertreten meine Interessen.«
»Und die wären?«
»Ich will das Testament haben. Natürlich auch die Juwelen. Aber ohne das Testament erbt meine sogenannte Stiefmutter die Hälfte des Dayton-Vermögens. Vater hat mir versichert, daß ich alles erben sollte; er hatte auch schon ein derartiges Testament in seinem Safe deponiert. Verstehen Sie jetzt, warum ich sicher bin, daß Daisy dahintersteckt?«
Daisy Dayton war die vierte im Bunde. Sie meldete sich kurz vor Mittag und beschuldigte ihren Stiefsohn, mit Sniders Hilfe den Safe ausgeräumt zu haben.
»Warum«, so sagte sie, »konnte Abel seine Reise nicht verschieben, wo doch sein Vater gerade gestorben war? Weil er sich ein Alibi verschaffen wollte. Er, als Abels Sohn, kann doch sicher am ehesten den Safe öffnen, oder? Abel hatte mir erst vor kurzem wieder gesagt, daß er Abraham enterben und alles mir hinterlassen wollte. Sie müssen mir helfen, Mister Truckle! Sie übernehmen den Auftrag, ja?«
Ihr Lächeln und die rehbraunen Mandelaugen, die überlebensgroß von der Videowand strahlten, wären allein schon Grund genug gewesen, sich mit dem Geheimnis des Dayton-Safes zu beschäftigen. Timothy konnte sich nicht erinnern, wann ihn eine Frau so angesehen hatte, dazu eine so schöne Frau. Er war derart in ihren Anblick versunken, daß er nicht darauf achtete, wie die Ziffern der Uhr weitersprangen.
»Sind Sie noch da, Mister Truckle?«
Timothy zuckte zusammen. »Ja, entschuldigen Sie bitte, ich war in Gedanken verloren –«
»Ich gebe ja zu, es ist ein verzwickter Fall«, sagte sie leise, sie gab ihrer Stimme einen hilflosen, werbenden Ton, »aber wer, wenn nicht Sie, sollte ihn lösen?«
»Es war nicht der Fall, der mich verwirrte«, gestand Timothy, »sondern Ihr Anblick.«
Daisy Dayton legte den Kopf ein wenig schief und benetzte die Lippen mit der Zungenspitze. »Sie werden mir helfen, ich wußte es!«
»Das ist nicht so einfach –«
»Bedürfte es sonst Ihrer Intelligenz?«
Timothy fühlte sich wohl, sauwohl. Klar, das war alles nur wohlberechnete Schmeichelei, aber es tat gut, so umworben zu werden. Er stöhnte. Ebenso wohlberechnet. »Ich bin
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