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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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füttern kostete ihn ungewohnt viel Zeit und Mühe. Nachdem er seine Fragen diktiert hatte, mußte Timothy sich ausruhen, bevor er wenigstens die beiden wichtigsten Gespräche führen konnte, das erste mit Armstrong.
    Timothy bestellte eine vollständige Liste aller Wissenschaftler und Hilfskräfte, die an der Entwicklung der Identicat-Sicherung gearbeitet hatten, dazu Protokolle aller Versuche und Vorversuche einschließlich der mißglückten, weiterhin eine detaillierte Beschreibung aller Tests, die ein LIFELONG-Identicat-Safe bestehen mußte, bevor er das Werk verließ, und eine Beschreibung, wie ein Safe auf seinen Besitzer geprägt wurde. Armstrong versprach, alle Unterlagen noch in der Nacht überspielen zu lassen. Er berichtete außerdem von Versuchen, die man im Werk mit einem Duplikat des Dayton-Safes gerade unternahm, die aber nichts anderes zu erbringen schienen als die Bestätigung, daß ein Identicat-Safe nicht zu knacken war.
    Der zweite Anruf ging an den Großen Bruder. Der zeigte sich zutiefst erschrocken über Timothys Stimme, die durch die Quaserverzerrung noch wunderlicher klingen mußte als so schon. Er beschwerte sich, daß Timothy ihn nicht unverzüglich von seiner Krankheit informiert habe, und versprach, jetzt jeden Tag anzurufen. Timothy beruhigte ihn, er sei bereits auf dem Weg der Besserung, und der verriet ihm auch die Heilmittel: WILDCAT, CHALLENGERS, BRIAND und OLD NEPTUN. Daisy Daytons Lächeln verschwieg er. Er bat den Großen Bruder, herauszubekommen, wer den Skydriver geflogen hatte.
    »Kurier dich lieber«, mahnte der Große Bruder. »Und wenn du mal etwas Zeit findest, denk darüber nach, wie wir zu Geld kommen, zu viel Geld. Wir sind fast pleite.«
    »Ich Idiot!« stöhnte Timothy. »Ich habe gerade auf Honorar verzichtet.«
    4.
    Am nächsten Morgen fühlte Timothy sich noch miserabler, obwohl das Fieber auf 39,5 Grad gesunken war. Aber er konnte jetzt kaum aus den Augen blicken und nur durch den Mund atmen, so sehr waren Nasenschleimhäute und Augenlider geschwollen. Selbst das abgedunkelte Licht blendete ihn unerräglich. Timothy beschloß, nun tatsächlich krank zu sein und sich damit abzufinden, den zugesicherten Gaumenfreuden abschwören zu müssen. Ein anderer würde den Fall lösen und ihn um seine Prämien bringen. Er ließ sich Wagner vorspielen. Danach fühlte er sich so elend, daß er nicht einmal mehr Musik ertragen konnte. Vielleicht würde er völlig erblinden. Oder die Mundschleimhäute würden auch noch aufquellen, und er müßte ersticken. Er hatte genügend Phantasie, sich sein Ende in allen Einzelheiten auszumalen. Und die Trauerfeier. Der Gedanke, daß sein gegenwärtiges Vermögen nicht ausreichte, um sich beerdigen zu lassen, auf einem richtigen Friedhof in richtiger Erde, machte ihn wieder munter. Und Daisy Dayton, die anrief, um sich nach seinem Befinden und ersten Ergebnissen zu erkundigen. In dieser Reihenfolge.
    Timothy hievte sich in den Sessel und fuhr zu Napoleon. Nach etlichen tiefen Seufzern machte er sich daran, die Sicherung in Napoleons Snarr einzubauen und ihm so die Stimme wiederzugeben. Doch bevor er sich auf ein Gespräch mit Napoleon einließ, holte er sich eine Flasche »Haighs« und nahm einen kräftigen Schluck, um sich für die kommende Stunde zu wappnen. Wie er diese verdammte, hochnäsige Stimme haßte. Wie konnte man nur einen Automaten reinstes Oxford-Englisch sprechen lassen! Nicht nur in der Aussprache, auch in Wortwahl und Rhythmus. Timothy überfielen schon Aggressionen, wenn er nur an das verdammte Dadadum-Dadada dachte. Er überwand sich, indem er die Augen schloß und sich einen Tisch vorstellte, der über und über mit den köstlichsten Speisen und Vorspeisen bedeckt war.
    »Ihre Fragen betreffend«, begann Napoleon, »wäre zu bemerken, daß sie nur zum Teil als sinnvoll anzusehen sind. Und es ist mir versagt, auf eine unsinnige Frage eine sinnvolle Antwort zu geben, so auf Frage eins: ’Kann ein Toter dazu benutzt werden, eine auf ihn geprägte Identicat-Sicherung zu öffnen, wenn ja, wie lange nach seinem Tod?‹ Schon ein geringes Nachsinnen hätte den Fragesteller darauf verweisen können, daß die Antwort nur Nein heißen kann. Wohl wären die Papillaren in gewissen, kurz zu bemessenden Zeiten noch als akzeptabel zu bezeichnen, nicht aber der Hauttonus und niemals die körpereigenen Wellen.
    Zu Frage zwei: In der einschlägigen Literatur wird darüber nichts vermerkt, mir ist aber bekannt, daß es nichtsdestotrotz

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