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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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doch wissen.«
    Flatcher reichte dem Mann am Mischpult ein Foto und ließ es an die Wand strahlen.
    »Sie können sich nicht erinnern, wann dieses Foto aufgenommen wurde?«
    »Nein, sagte ich doch. Ist das schlimm?«
    »Die ’Methodisten des wahren Evangeliums«`, erklärte Spellham, »lehnten die Säuglingstaufe ab. Sie tauften im Alter von acht Jahren. In einem fließenden Gewässer. Die Täuflinge trugen weiße Kleidung, die Mädchen Röcke, die Jungen Shorts. Auf ihnen war in Gold eingestickt: M, drei, elf. Das bedeutet einen Vers aus dem Matthäus-Evangelium, Vers elf des dritten Kapitels: ’Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; der aber nach mir kommt, ist stärker denn ich; dem ich auch nicht genugsam bin, seine Schuhe zu tragen, der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.‹ Das sind die Worte Johannes des Täufers, bevor er Jesus Christus taufte.«
    Flatcher hatte inzwischen mit dem Mann am Mischpult getuschelt, der ließ jetzt das rechte Hosenbein vergrößern, und dann sahen es alle: drei Zeichen, wenn auch verschwommen, so doch deutlich genug: ein M, eine Drei und eine Elf.
    »Wie«, donnerte Flatcher in den Saal, »wie ist es möglich, daß dieser angebliche Arribert Blacksmith seine Taufe vergaß, sich nicht einmal angesichts des Tauffotos und der eindeutig zielenden Fragen daran erinnern kann, zumal die Taufe am ersten März im eiskalten Wasser des Palmspring-Rivers stattfand?«
    Timothy wartete noch, bis Walton und Blacksmith samt Ärzten und Betreuern fluchtartig das Podium verließen, dann löschte er das Bild und ging zum Communicator. Er blickte in den Spiegel: Ein zerknittertes, mürrisches Gesicht blickte ihn an. Timothy mußte nicht lange warten, bis Dulles anrief, dunkelrot vor Wut, er schnaufte wie eine alte Lokomotive. »Nun, sind Sie jetzt zufrieden?« brüllte er.
    »Womit?« fragte Timothy müde zurück.
    »Mit dem Spektakel! Sagen Sie bloß nicht, Sie hätten es sich nicht angesehen!«
    »Die Vorstellung im Apollo-Saal?« Timothy schüttelte matt den Kopf. »Ich bin kein Masochist, Mister Dulles. Ich liebe es gar nicht, mit meinen Niederlagen konfrontiert zu werden. Außerdem bin ich seit Tagen schwer krank. Sie haben Glück, daß Sie mich erreichen. Ich erwarte meinen Arzt, sonst hätte ich mich nicht gemeldet. Was ist denn geschehen?«
    Dulles sah ihn prüfend an. »Zumindest sehen Sie nicht wie ein Sieger aus«, knurrte er. »Sie hätten es sich ansehen sollen. Um zu erleben, was für ein Stümper Sie sind! Der größte Detektiv? Daß ich nicht lache! Die größte Null!«
    Timothy zuckte nur lasch mit den Schultern.
    »Wenn ich nicht wüßte, daß Sie tatsächlich krank sind, und wenn es nicht ausgerechnet Flatcher gewesen wäre«, sagte Dulles, »hätte ich angenommen, daß Sie dahinterstecken. Wehe, wenn ich eines Tages herausbekomme, daß Sie doch damit zu tun haben!«
    »Machen Sie, was Sie wollen«, krächzte Timothy, »nur lassen Sie mich bitte jetzt in Ruhe!«
    Er löschte die Verbindung. Sah noch einmal in den Spiegel. Betrachtete sein sorgenvolles, graues Gesicht. Dann begann er zu lachen. Und wie er lachte! Er goß sich einen dreistöckigen »Johnny Walker« ein und summte vergnügt vor sich hin: »Ach wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß’.«

Tote stehlen nicht, oder?
    1.
    Zum erstenmal seit langem hatte Timothy Lust, das »Nebraska« zu verlassen und einen Tatort zu inspizieren: »Dayton Cottage« war nicht nur seiner baulichen Besonderheiten wegen berühmt, sondern auch wegen seiner wahrscheinlich einmaligen Orchideensammlung, die unter anderem alle siebzehn Schattierungen der Nero-Woolfe-Orchidee enthielt. Doch ausgerechnet jetzt lag Timothy mit Fieber im Bett. Die Beine versagten ihm den Dienst, die Adern brannten, das Gesicht war verquollen, die Augen konnten sich kaum noch Ausblick verschaffen, die Lippen wölbten sich wie bei einem Negermädchen, und die Nase ragte spitz und bleich aus dem hervor, was Timothy als sein Gesicht anzuerkennen ablehnte und als einen »besoffenen rotläufigen Vollmond« deklarierte.
    Diesmal hatte er wirklich Grund, sein Bild vom Communicator zu schalten.
    Vom Wandschirm des Schlafzimmers redete Armstrong auf ihn ein, Jeremias N. Armstrong; das N. stand für Nobel, was Armstrong vergeblich zu unterschlagen suchte. Böswillige behaupteten, weil er ein Menschenkenner sei. Timothys Neigungen und Leidenschaften schien er tatsächlich zu kennen.
    »Mister Truckle«, sagte er gerade, »das darf nicht wahr

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