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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Versuche gegeben hat, sowohl in einzelnen Teilen unterschiedlichster Art als auch in Gesamtstrukturen verstorbener Körper Pseudoleben zu erzeugen – es muß natürlich richtiger heißen: zu erregen. Falls meiner Aufmerksamkeit nichts diesbezügliches entgangen sein sollte, ist dazu zu sagen, daß alle Quellen übereinstimmend darüber berichten, daß derartiges nur bei Temperaturen kurz über dem Gefrierpunkt des Wassers möglich erscheint, was wiederum den Hauttonus rapide verändert und die Papillaren gefrieren läßt.
    Deshalb ist auch die dritte Frage, die mehr den Charakter einer übergreifenden denn einer selbständigen Frage besitzt, eindeutig mit Nein zu beantworten. Ein IMAGO ist lediglich für Körperstrahlung denkbar, und dies auch nur bei besonders günstigen Voraussetzungen, relativ großen Toleranzen des Kontrollmechanismus und dazu unter einem immensen Aufwand.
    Als das größte Problem jedoch erscheinen mir die Papillaren, da die Identicat-Sicherung die Fingerabdrücke nicht von einem zweidimensionalen, sondern nur von einem dreidimensionalen, plastischen Medium abnimmt, das von ihr selbst abgetastet wird und alle Eigenschaften einer lebenden Hand aufweisen muß. Man hätte also eine originalgetreue Nachbildung des Verblichenen, dazu mit dem richtigen Hauttonus, schaffen müssen. Dies ist aber nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaften platterdings unmöglich. Insgesamt ist zu bemerken: Allein die Annahme, jemand könne unbefugt eine Identicat-Sicherung öffnen, ist zumindest gegenwärtig unsinnig. Diese Einschränkung deshalb, weil man ohne zwingende Beweise kein Unmöglich postulieren soll. Die unberechtigte Öffnung einer Identicat-Sicherung setzt ein biologisches Double voraus. Die Vorstellung aber, es könne ein biologisches Double eines Menschen existieren, ist derart absurd, daß es sich erübrigt, darüber auch nur ein Wort zu verlieren.«
    »Halt’s Maul, du elender Klugscheißer!« knurrte Timothy. »Was weißt du vom Absurden. Was weißt du von diesem Tollhaus, in dem das Verrückte als normal und das Normale als pervers anerkannt wird! Ich glaube an das Absurde in dieser Welt, und ich weiß, warum!«
    »Was sagten Sie bitte?«
    Timothy schaltete Napoleon aus, kippte noch einen »Haighs«, quetschte einen Fluch zwischen den verquollenen Lippen hervor und füllte sein Glas erneut. Er lag eine Weile schweratmend da, bevor er sich stark genug fühlte, Napoleon weiter anzuhören.
    »Ich habe die diversen Unterlagen gesichtet und gespeichert. Wünschen Sie einen vollständigen oder einen auszugsweisen Bericht, und wenn auszugsweise, nach welchen Gesichtspunkten, bitte schön?«
    »Irgendwelche Hinweise auf Fakten, die zu abweichenden Schlußfolgerungen führen könnten?«
    »Meines Wissens, nein.«
    »Irgendwelche Namen, die uns bekannt sind? Wenn ja, in welchem Zusammenhang?«
    »Das habe ich nicht überprüft.«
    »Würdest du das dann, dreimal verdammt, jetzt tun!« schrie Timothy.
    »Verzeihung, ich habe nicht recht verstanden.«
    »Würdest du bitte so freundlich sein und die Namen überprüfen?«
    »Ja, gerne. Sofort.«
    Timothy brauchte zwei Whisky, um seine Aggressionen hinunterzuspülen. Dann sagte er sich, daß er es nicht länger fertigbringen würde, Napoleon zuzuhören. Er schaltete den Snarr wieder ab.
    Napoleon revanchierte sich, indem er lange Bänder ausdruckte. Timothy hatte im Nu den Schoß voll und bald das ganze Bett, aber das war für ihn das kleinere Übel, zumal seine Augen sich offensichtlich besserten.
    Mitten in seinem Studium meldete sich Doktor Pike. Timothy ließ ihn eine Weile vor der Tür stehen und schaffte erst einmal Ordnung. Er hatte keine Lust auf Vorwürfe. Die Whiskyflasche hatte er vergessen. Pike entdeckte sie sofort und schüttelte mißbilligend den Kopf.
    »Schimpfen Sie nicht, Doc«, sagte Timothy. »Das ist die einzige Medizin, die mir zu helfen scheint. Oder haben Sie mir etwas mitgebracht, das mich wieder auf die Beine stellen könnte?«
    »Leider nicht. Brennt der Whisky nicht teuflisch in der Kehle?«
    »Nicht ein bißchen.«
    »Merkwürdig, sehr merkwürdig.«
    Während Timothy auf dem Bauch lag, damit Doktor Pike das Sprela-Kardiogramm und das Enziogramm und dann noch das Phallogramm abnehmen konnte, angelte er sich ein paar von Napoleons Streifen hervor und ließ sie durch die Finger gleiten.
    »Sie arbeiten doch nicht etwa?« fragte Pike.
    »Altes Zeug. Sagen Sie, Doc, haben Sie mal was von Peter Dryer gehört oder von John Fergusson?

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