Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
in dem er offensichtlich Kretins hält, weiß der Teufel, wozu. Vielleicht – erinnerst du dich an den Fergusson-Fall?«
Timothy erinnerte sich gut. Fergussons Frau hatte den Körper ihres Mannes in einer Klinik am Leben erhalten lassen. Automaten hatten das Blut durch den Körper gepumpt und ihn künstlich ernährt, so daß das Herz nicht zum Stehen kam. Auf diese Weise wurde verhindert, daß der Sohn das Erbe antreten konnte. Als das nicht mehr länger möglich war, hatte sie einen Idioten beigebracht, der nicht annulliert, sondern in einer Privatklinik großgezogen worden war, und ein Attest, daß dies ihr und Fergussons Sohn sei, so daß sie wenigstens zwei Drittel des Vermögens bekommen hatte. Abzüglich der Spesen, versteht sich.
»Hilft dir das?« fragte Smiley.
»Vielleicht. Hast du die Idioten gesehen?«
»Nur einen, und der war tot. Vielleicht hatten sie ihn auch sterben lassen, weil sie nicht länger Honorar für ihn kassieren konnten. Sie haben ihn jedenfalls ohne Formalitäten hinter dem Blockhaus eingescharrt.« Smiley grinste. »Ich habe mir gestattet, vorher ein paar Fotos zu machen. Ich dachte, vielleicht sei es das, wonach du suchst.«
»Könnte sein«, rief Timothy vergnügt.
»Ich habe auch die Fingerabdrücke abgenommen, doch damit ist nicht viel Staat zu machen. Noch eins, Boone scheint sich für Edelsteine zu interessieren. Von meinem Turm aus konnte ich mit ’nem Fernglas direkt in seine Fenster blicken. Ich habe beobachtet, wie er seine Steine sortierte. Eine erstaunliche Sammlung.«
»Könnte man sie, äh, sicherstellen? Ich meine, wenn jemand alle Deckung und genügend Mittel hat?«
»Kleinigkeit. Soll ich sie holen? Boone hat nur einen alten ’Smith & Wesson‹-Tresor. Wann?«
»Paßt es dir übermorgen nacht? Boone wird nicht zu Hause sein.«
Als Smiley gegangen war, schickte Timothy ein Hologramm an Doktor Herbert E. Boone, Boonesburg bei Southwark, Kentucky.
6.
»Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Sie zu mir gebeten habe«, sagte Timothy, »aber Sie sehen ja, ich bin krank.«
»Soll ich Sie behandeln?« fragte Boone belustigt.
»Sagen wir, Sie könnten mir helfen.« Timothy bot ihm den Sessel vor dem Bett an. Und zu trinken. Boone wollte Meskalinbrandy.
»Kommen wir zur Sache«, sagte er. »Sie haben mir ein interessantes Geschäft angedeutet, bei dem es um Millionen geht.«
»Wenn nicht sogar um Milliarden.«
»Ich höre.«
»Am besten«, schlug Timothy vor, »ich erzähle Ihnen eine kleine Geschichte. Sie fängt wie so viele gute Geschichten mit ’Es war einmal‹ an, ist aber dennoch kein Märchen. Also: Es war einmal ein junger Mann, der war begeistert, ja geradezu besessen von einer Idee. Er studierte, um sie verwirklichen zu können, schrieb eine Dissertation über dieses Thema, und da es eine gescheite Arbeit war und da sich gerade einige staatliche Stellen für dieses Gebiet interessierten, bekam er einen erstklassigen Job in einem erstklassigen Institut, und man stellte ihm alle Mittel zur Verfügung, seine Idee in die Wirklichkeit umzusetzen. Eine verlockende Idee. Nicht ganz neu, sie hatte vor allem die Zoologen schon im vorigen Jahrhundert beschäftigt, aber immer ohne Erfolg, so daß man sie schließlich als undurchführbar beiseite legte. Es ging um die sogenannten Klons: Lebewesen, die man aus Körperzellen züchtet, so daß man, zum Beispiel, von einem besonders gut gelungenen Zuchtexemplar unendlich viele genetisch völlig gleiche Duplikate herstellen kann.«
Boone saß mit verkniffenem Gesicht da.
»Unser junger Mann hatte sich eine vielversprechende Methode ausgedacht, er wollte den Kern einer Eizelle gegen den Kern einer Körperzelle austauschen und dann die Frucht normal austragen lassen; nach seinen Überlegungen mußten Leberzellen für solch einen Austausch geeignet sein. Es funktionierte. Er erhielt genetische Duplikate des Spenders, und doch blieben die Ergebnisse niederschmetternd: Die Klons waren samt und sonders Mißgeburten, verunstaltet und Idioten, höchstens als Material für Transplantationen zu gebrauchen. Aber zu dieser Zeit war es schon gelungen, die Eiweißunverträglichkeit in den Griff zu bekommen. Die Versuche wurden eingestellt. Langweile ich Sie, Mister Boone?«
»Ganz im Gegenteil. Sie sind einer der besten Märchenerzähler, die ich je hörte.«
Timothy bedankte sich mit einem Kopfnicken.
»Unser junger Mann war völlig aus der Bahn geworfen. Eine Zeitlang ließ er sich gehen, dropte sich mit allen möglichen
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