Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
andere Leute zu besorgen?«
»Zwanzig Prozent.«
Timothy schüttelte den Kopf.
»Dann bekommen Sie gar nichts.«
»Sie irren. Und glauben Sie nicht, daß ich Hemmungen hätte, Sie abzuknallen. Was riskiere ich schon? Ich bin Ihnen auf die Schliche gekommen, Sie haben mich überfallen, um mich umzubringen. Es war reine Notwehr. Jeder Polizist würde das akzeptieren. Und die unfreiwilligen Väter Ihrer Idioten würden mir allesamt eine saftige Prämie spendieren. Aber ich will mehr.«
Boone atmete tief, würgte, starrte Timothy an, zuckte schließlich mit den Schultern. »Okay. Ich habe wohl keine Wahl. Aber dafür werden Sie mitarbeiten müssen.«
»In meinem eigenen Interesse«, erwiderte Timothy. »Ziemlich stümperhaft, wie Sie bei Dayton eingestiegen sind.«
»Ich habe keine Fehler gemacht«, brauste Boone auf. »Ich habe nicht eine einzige Spur hinterlassen!«
»Eben. Das war der eine Fehler. Sie hätten sich sagen müssen, daß ein derart geheimnisvoller Fall die besten Kriminalisten auf den Plan ruft. Sie hätten ein paar Spuren hinterlassen müssen, Köder für die Polizei, an denen die sich festbeißen konnte, um dann eines Tages doch kleinlaut aufzugeben. Sie hätten den Dayton-Safe überhaupt sausen lassen sollen. Sie hatten viel zuwenig Zeit, den Coup richtig vorzubereiten.«
»Sausen lassen, sausen lassen!« schnaufte Boone. »Mein lieber Mister Truckle, seit fünfzehn Jahren warte ich auf diesen Tag. Meinen Sie, es macht mir Vergnügen, mich in die Einsamkeit von Boonesburg zu verkriechen, Süchtige zu behandeln und Alte zu Tode zu pflegen, um ungestört diese Mißgeburten und Idioten aufziehen zu können?«
»Warum haben Sie es dann nicht schon früher versucht?«
»Warum, warum! Weil die Finger erst zur Mannesgröße auswachsen mußten. Und weil sich die Körperstrahlung noch während der Pubertät verändert. Dann diese Gelegenheit – der Fahrstuhl wurde nicht überwacht, in Daytons Zimmer mußte ich nicht mit Überrumpelung rechnen. Dann die Dayton-Juwelensammlung. Das sollte ich alles sausen lassen? Den Kretin umsonst hochgepäppelt? Fünfzehn Jahre lang? Es hätte übermenschlicher Größe bedurft, darauf zu verzichten.«
Timothy goß ihm einen neuen Meskalinbrandy ein.
»Ich hätte sie aufgebracht«, sagte er leise. »Aber das ist der Fehler der meisten Amateure; um eines Cents willen vergeben sie die Chance auf zehn Dollar. Ihr zweiter Fehler, Boone: Sie hätten konsequent vorgehen müssen, den Safe wieder schließen, so daß man annehmen mußte, der alte Dayton hätte seine Juwelen irgendwo anders deponiert, und wenn Sie schon das Testament mitnehmen, dann auch noch die Tür sprengen, so daß es aussieht, als wollte jemand seine Spuren verwischen.«
»Was reden Sie da für einen Unsinn«, sagte Boone unwillig. »Ich habe kein Testament mitgehen lassen. Haben Sie noch mehr solcher ’Fehler‹?«
»Einen. Sie hätten mit mir rechnen müssen.«
»O ja! Wenn ich geahnt hätte, daß ich Sie als Partner einhandle, hätte ich es mir tatsächlich verkniffen!«
»Sie sollten zufrieden sein, daß wir uns gefunden haben. Wie, zum Beispiel, wollen Sie die Juwelen unterbringen? Wie wollen Sie eine einmal angelaufene Untersuchung so verwirren, daß die Spur nicht zu Ihnen führt?«
Boone sah Timothy mit großen Augen an.
»Ich lasse mir etwas einfallen«, beruhigte Timothy ihn. »Sobald ich wieder auf den Beinen bin, komme ich nach Boonesburg, und wir besprechen die Einzelheiten. Eines jedoch möchte ich jetzt noch wissen: Zu wem gehören die anderen Kretins in Ihrem Blockhaus?«
»Das könnte Ihnen so passen!« Boone sprang auf. Timothy hielt ihm den Rayvolver entgegen, Boone griff aber nur nach der Flasche. »Sie glauben doch wohl nicht, daß ich so verrückt bin, Ihnen das zu verraten!«
»Doch, das glaube ich. Aber wenn Sie nicht wollen – ich besitze die Fingerabdrücke aller Ihrer Zöglinge, und ich bin außerordentlich neugierig. Ich könnte nicht mehr ruhig schlafen, bevor ich es wüßte. Es dürfte nicht so schwer sein, die unfreiwilligen Väter zu finden. Allerdings, ich müßte dann auf Ihre Partnerschaft verzichten; dafür könnte ich die Herkunft des Geldes jederzeit nachweisen –«
»Okay, okay.« Boone stürzte das scharfe grüne Zeug in einem Zug hinunter, dann diktierte er Timothy dreiundzwanzig Namen, keiner von ihnen fehlte auf der Liste der hundert reichsten Leute der USA, die »Lady’s Journal« vor kurzem veröffentlicht hatte. Timothy las die Namen ein
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