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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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Leonardo da Vincis heraus und speicherte sie in den Spectomaten, und alle paar Minuten lief er ins Bad, um nach Baxter zu sehen.
    So vergingen der Vormittag und der Nachmittag. Die Bachstelze rief an. Sie war mürrisch, ungeduldig und ungerecht. Timothy hatte Mühe, sie von einem Besuch abzuhalten. Er verabredete sich für den nächsten Tag mit ihr, er habe eine neue Idee, die er gerade mit Napoleon durchrechnen wolle.
    Kurz nach sieben schlug Baxter die Augen auf. Er sah Timothy an, schien sich zu erinnern, lauschte, drehte den Kopf »Schneewittchen« zu, starrte sie an.
    »Was ist das?«
    »Eine Sonic, ich erkläre es dir später, zuerst –«
    »Gibt es ein Später?« unterbrach ihn Baxter. »Du brauchst mir nichts vorzumachen. Ich weiß, daß ich sterben muß. Ich hatte zu spät gemerkt, daß ich in aktiven Müll geraten war, erst, als die Geräte ausfielen. Wie hoch ist das Fieber, wie ist die Pulsfrequenz, die Zerfallskurve der roten Blutkörper?« Er ließ nicht locker, bis Timothy es ihm verraten hatte. »Ich will aufstehen.«
    Bevor Timothy ihm zu Hilfe eilen konnte, hatte er seine vier Hände auf den Rand des Bassins gestemmt und seinen Körper hinausgeschwungen. Wenn Timothy nicht zugefaßt hätte, wäre er hingestürzt.
    »Wie heiß mir ist«, sagte er verwundert, »und wie schwach.«
    »Das Fieber«, erklärte Timothy. »Bist du nie krank gewesen?«
    »Nur mal erkältet.«
    Timothy schlang ihm ein Badetuch um die Hüften.
    »Deine Sachen habe ich zerschneiden müssen.«
    Baxter lächelte. »Wirf alles Irdische von dir –. Wo ist die Gemeinde?«
    »Später, Samuel, später. Zuerst mußt du dich stärken. Ich habe ein Essen vorbereitet.«
    Er half Baxter in den Sessel. Bevor er ihn hinüberfuhr, stellte er Projektion und Musik ein – er hatte sich für die Brandenburgischen Konzerte entschieden – und zündete die Kerzen an. Baxter warf nur einen kurzen Blick über die Tafel, dann starrte er auf die Wand. Timothy hatte die Leonardo-Skizze so eingestellt, daß nur die obere Hälfte zu sehen war; die vier Arme streckten sich wie zum Segnen über die ganze Breite.
    »Was ist das?« keuchte Baxter.
    »Die Zeichnung eines der berühmtesten Maler der Menschheit. Er lebte vor siebenhundert Jahren in Italien und hieß Leonardo da Vinci. Hast du von ihm gehört?«
    »Nein. Was ist Italien?«
    »Ach, Samuel!« stöhnte Timothy. »Wie soll ich dir das erklären? Wie soll ich dir alles erklären, was du wissen müßtest!«
    »Vor siebenhundert Jahren?«
    »Ja. Als hätte er dich geahnt, nicht wahr?«
    »Hat er auch Jesus Christus gemalt?«
    Timothy nickte nur. Ein Kloß saß ihm in der Kehle. Baxter vertiefte sich in den Anblick der Tafel. Timothy hatte den Tisch völlig ausgefahren. Auf dem weißen Damasttuch standen vier sechsarmige Leuchter mit Kerzen und eine Fülle von Tellern, Gläsern und Silberbesteck. Timothy hatte alles Kostbare aufgeboten, das er besaß, sogar das venezianische Kristall; er hatte ein Dutzend Karaffen und geschliffene Flaschen mit bunten Flüssigkeiten gefüllt und Blumen auf die Decke gestreut. Baxter hielt sich die Wangen mit den vorderen Händen, die hinteren faltete er im Schoß. Er sah Timothy fragend an. »Das Abendmahl?«
    »Ja, das Abendmahl.« Timothy beschäftigte sich schnell damit, aus jeder Karaffe und Flasche ein Glas zu füllen.
    »Ich habe immer gedacht«,. sagte Baxter, »daß es für mich nichts gibt als das Denken, doch seitdem ich aufgebrochen bin, habe ich so vieles entdeckt, vor allem die Farben. Im Fort hatte ich sie gar nicht wahrgenommen, sie waren ja von Anfang an da und immer gleich, verstehst du? Erst unterwegs habe ich die Farben bewußt gesehen. So vieles, von dem ich nichts wußte! Vor allem dieses ungeheure, verwirrende Metropolis mit seinen Unmengen Menschen, den unendlich vielen Dingen, die ich nicht kenne, den in den Himmel wachsenden Häusern – dann diese Töne bei dir. Ach, ich verstehe so vieles nicht. Ist es das, was mit dem unerforschbaren Ratschluß des Herrn gemeint ist?«
    Timothy gab keine Antwort. Baxter nahm einen Schluck Rotes. »Beinahe hätte ich euch nicht gefunden«, fuhr er fort. »Eine Prognose ist kein Programm. Zuwenig Fakten. Zu viele Überraschungen. Über Metropolis wußte ich so gut wie gar nichts. Dann waren noch alle Geräte ausgefallen, und ich bekam keine Informationen mehr.« Er lächelte. »Gut, daß ich wenigstens noch mitbekommen hatte, daß die Häscher und Schergen hinter mir her waren. Ich wäre sonst nie auf die Idee

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