Wer stirbt, entscheidest du
Blechdose. Mehr nicht. Kein Bild in Arbeit. Auch fertige Malversuche waren nirgends zu sehen. Sehr organisiert und ordentlich für eine Sechsjährige, dachte sie.
Die Tristesse der Umgebung schlug ihr zusätzlich aufs Gemüt. So wohnte man einfach nicht, schon gar nicht mit Kindern.
Sie gingen in die Küche, wo sich D.D. möglichst fernhielt von der mit Kreide gezogenen Silhouette, die die Lage der Leiche markierte. Von den Blutflecken, der zerschlagenen Flasche und dem umgekippten Stuhl abgesehen, wirkte die Küche genauso aufgeräumt wie der Rest des Hauses. Aber auch veraltet und abgenutzt. Die Einbauschränke aus dunklem Holz, die mit Resopal beschichtete, fleckige Arbeitsplatte und die weißen Geräte mochten an die dreißig Jahre alt sein. Alex würde als Erstes die Küche sanieren, wenn er in dieses Haus einzöge, dachte D.D.
Brian Darby hatte jedoch sein Geld offenbar lieber in Unterhaltungselektronik, ein Ledersofa und in sein Auto investiert als ins Haus.
«Sie haben sich vielleicht angestrengt, der Tochter gerecht zu werden», dachte D.D. laut. «Aber füreinander hatten sie anscheinend nicht viel übrig.»
Bobby warf ihr einen fragenden Blick zu.
«Schau dich doch um», erklärte sie. «Das Haus ist zwar alt, aber in der Substanz nach wie vor ein Schmuckstück. Er war Ingenieur und wird mit Sicherheit handwerklich geschickt gewesen sein. Das Einkommen der beiden dürfte sich im Jahr auf rund zweihundert Riesen summiert haben. Außerdem hatte Brian sechzig Tage Urlaub am Stück. Mit anderen Worten, er hatte Erfahrung, Zeit und Ressourcen, die aber nicht dem Haus zugutegekommen sind, nur Sophies Zimmer. Das ist frisch gestrichen und hübsch eingerichtet. Die Eltern haben sich für die Kleine stark engagiert, nicht für ihr Wohnumfeld. Fragt sich, an welchen Stellen ihrer Beziehung sie sonst noch geknausert haben.»
«Die meisten Eltern sind auf ihre Kinder fokussiert», gab Bobby zu bedenken.
«Aber hier hängt nicht einmal ein Bild an der Wand.»
«Trooper Leoni arbeitet viel. Brian Darby war monatelang auf hoher See. Vielleicht hatten die beiden andere Prioritäten, wenn sie zu Hause waren.»
D.D. zuckte mit den Achseln. «Zum Beispiel?»
Bobby nickte. «Komm mit. Ich zeige dir die Garage.»
D.D. kam aus dem Staunen nicht heraus. Die große, für zwei Fahrzeuge angelegte Garage war auf drei Seiten mit dem raffiniertesten Lochwandsystem verkleidet, das sie je gesehen hatte. Die Paneele reichten vom Boden bis zur Decke und waren voller Regalböden, Haken und Halterungen für Fahrräder und Sportgeräte, unter anderem einer kompletten Golfausrüstung.
D.D. schaute sich um und stellte zweierlei fest. Brian Darby hatte offenbar mehrere Outdoor-Hobbys und einen dermaßen ausgeprägten Ordnungszwang, dass professionelle Hilfe angeraten gewesen wäre.
«Vom Boden könnte man essen», sagte D.D. «Wir haben März, es schneit, überall auf den Straßen liegt fingerdick Streugut. Wie kann da dieser Boden so sauber sein?»
«Er hat seinen Wagen am Straßenrand abgestellt.»
«Er parkt seinen Sechzigtausend-Dollar-SUV an einer der belebtesten Straßen Bostons, um seine Garage nicht schmutzig zu machen?»
«Da steht auch der Streifenwagen. Das will die Dienststelle so. Präsenz zeigen.»
«Blödsinn», murmelte D.D. Sie trat vor eine der Lochwände, wo ein Besen und ein Handfeger samt Kehrblech an Haken hingen. In einem Abfalleimer für recycelbaren Müll steckten sechs grüne Bierflaschen. Die Mülltonnen waren anscheinend von der Spurensicherung geleert worden. D.D. ging an der Wand entlang und strich mit der Hand über die Mountainbikes von Brian und Tessa sowie über ein kleines Modell in Rosa, das offenbar Sophie gehörte. Außerdem fand sie mehrere Rucksäcke und ein Regal voller Wanderstiefel in verschiedenen Größen, darunter auch ein pinkfarbenes Paar für Sophie. Wandern, Fahrradfahren, Golfspielen, resümierte D.D.
Auf der anderen Seite der Garage sah sie die Ausrüstung für ein weiteres Hobby: sechs Paar Skier für Langlauf und Abfahrt. Und Schneeschuhe.
«Brian Darby hatte anscheinend einen ausgeprägten Bewegungsdrang, wenn er zu Hause war», meinte D.D.
«Und er wollte die Familie dabeihaben», fügte Bobby hinzu. Tatsächlich waren alle Sportgeräte in dreifacher Ausführung vorhanden.
«Aber Tessa musste meist arbeiten, und Sophie hatte Schule», erinnerte D.D. «Mit anderen Worten, Brian war meist allein, ohne weibliche Begleitung, die seine sportlichen Fähigkeiten hätte
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