Wer stirbt, entscheidest du
Kollegen in Uniform nur wenig Frauen gab, hätte man meinen sollen, dass diese wenigen zusammenhalten. Aber Frauen sind seltsam in dieser Hinsicht. Sie beharken sich gegenseitig, und wenn sich eine Frau wie ich von ihrem Mann als Boxsack missbrauchen lässt, ist sie völlig untendurch.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Detective Warren einen gewalttätigen Mann in ihrer Nähe geduldet hätte. Wahrscheinlich würde sie, wenn sie geschlagen wurde, doppelt so hart zurückschlagen. Oder ihm mit dem Taser die Eier grillen.
Detective Dodge hatte zwei Stühle ans Bett gerückt. Die beiden nahmen Platz. Auch Cargill setzte sich wieder. Er wirkte verunsichert.
«Meine Mandantin kann auf manche Fragen nicht antworten – noch nicht», sagte er. «Aber natürlich wird sie nach Kräften helfen, dass ihre Tochter gefunden wird. Wie könnte sie dazu beitragen?»
«Wer ist Sophies leiblicher Vater?», fragte Detective Warren. «Und wo hält er sich auf?»
Ich schüttelte den Kopf und winselte vor Schmerzen.
«Nennen Sie mir seinen Namen», insistierte sie.
Ich leckte meine Lippen und versuchte es noch einmal. «Sie hat keinen Vater.»
«Unmöglich.»
«Nicht für eine Schlampe und Alkoholikerin», entgegnete ich.
Cargill glotzte mich entgeistert an. Die beiden Detectives aber schienen aufzumerken.
«Sind Sie Alkoholikerin?», fragte Bobby Dodge ruhig.
«Ja.»
«Wer weiß davon?»
«Lieutenant Colonel Hamilton und einige Kollegen.» Ich zuckte mit den Schultern und versuchte, meine lädierte Gesichtshälfte unbewegt zu lassen. «War vor sieben Jahren auf Entzug, bevor ich zur Polizei ging, und bin seitdem trocken.»
«Vor sieben Jahren?», wollte D.D. bestätigt wissen. «Zu dem Zeitpunkt waren Sie schwanger, stimmt’s?»
«Ja.»
«Wie alt waren Sie da?»
«Zwanzig. Jung und naiv. Immer auf Partys und ständig betrunken. Plötzlich war ich schwanger und musste feststellen, dass ich keine wirklichen Freunde hatte. Seit ich aus dem Zirkus ausgestiegen bin, habe ich keinen aus meiner Clique mehr wiedergesehen.»
«Männerbekanntschaften?», fragte D.D.
«Die werden Ihnen nicht weiterhelfen. Ich habe nur mit Männern geschlafen, die ich nicht kannte, meist mit älteren Kerlen, die ihren Spaß daran hatten, einem jungen dummen Mädchen Drinks zu spendieren. Ich trank, ließ mich flachlegen, und danach ging jeder seiner Wege.»
«Tessa», mahnte mein Anwalt.
Ich hob eine Hand. «Das sind alte Geschichten, die keine Bedeutung haben. Ich kenne Sophies Vater nicht. Ich hätte ihn vielleicht ausfindig machen können, aber das wollte ich nicht. Ich war schwanger und wurde endlich erwachsen. Nur das zählte für mich.»
«Hat Sophie nie gefragt?», wollte Bobby wissen.
«Nein. Sie war drei, als ich Brian traf, und hat ihn schon nach kurzer Zeit Daddy genannt. Ich glaube, sie kann sich an die Zeit vor ihm gar nicht mehr erinnern.»
«Wann wurden Sie zum ersten Mal von ihm geschlagen?», fragte D.D. «Schon zu Anfang der Ehe oder erst nach einem Jahr?»
Ich starrte unter die Decke und schwieg. Meine rechte Hand hielt unter dem dünnen grünen Laken den blauen Knopf umklammert, den eine Schwester für mich vom Boden aufgehoben hatte.
«Wir müssen Einblick in Ihre Krankenakten nehmen», sagte D.D. an die Adresse meines Anwalts.
«Ich bin die Treppe runtergefallen», sagte ich und verzog die Lippen zu einem Lächeln, denn es war die Wahrheit, die sie natürlich für eine Lüge halten mussten. Ironie des Schicksals. Gott bewahre mich vor solchen Ironien.
«Wie bitte?»
«Die geprellten Rippen … Ich hätte das Eis von den Stufen kratzen sollen. Pech gehabt.»
Detective Warren musterte mich mit kritischem Blick. «Verstehe. Sie sind ausgerutscht. Dreimal, viermal?»
«Nur zweimal, wenn ich mich richtig erinnere.»
Sie fand mich nicht lustig. «Haben Sie Übergriffe Ihres Mannes jemals angezeigt?»
Ich schüttelte den Kopf, was ich wieder mit unerträglichen Schmerzen bezahlte.
«Haben Sie mit Kollegen darüber gesprochen? Zum Beispiel mit Trooper Lyons? Der hat Ihnen doch häufiger im Haus geholfen, nicht wahr?»
Ich antwortete nicht.
«Haben Sie sich Freundinnen anvertraut?», fragte Bobby. «Einem Pfarrer oder einer Hotline? Wir stellen diese Fragen, um Ihnen zu helfen, Tessa.»
Ich hatte Tränen in den Augen, der Schmerzen wegen.
«Es war halb so schlimm», sagte ich schließlich, den Blick immer noch unter die Deckenverkleidung gerichtet. «Jedenfalls am Anfang. Ich dachte … ich glaubte, ihn
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