Wer stirbt, entscheidest du
verziehen, nicht wahr?»
Es war keine Frage, also antwortete ich nicht.
«Haben Sie deshalb zu trinken angefangen?», fragte Detective Dodge.
Ich nickte stumm.
«Sie sind von zu Hause ausgezogen, haben die Schule geschmissen …», fuhr er fort.
«Ich bin wohl kaum die erste Polizistin mit einer scheiß Vorgeschichte», entgegnete ich bitter.
«Sie wurden schwanger», sagte Detective Warren. «Und sind dann trocken und erwachsen geworden. Sie haben viel opfern müssen für ein Kind», kommentierte sie.
«Nein. Es geschah aus Liebe zu meiner Tochter.»
«Das Beste, was Ihnen je widerfahren ist. Das, was Ihnen als Familie geblieben ist.»
D.D. schien zu zweifeln, was ich als Warnung auffasste.
«Schon mal von DOA gehört? Analyse von Verwesungsgerüchen?», fuhr sie fort. «Der Chemiker und forensische Anthropologe Arpad Vass hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich über vierhundert Gerüche unterscheiden lassen, die ein Leichnam ausdünstet. Solche Gerüche setzen sich fest – im Boden, in Textilien oder, sagen wir, im Teppich, der im Kofferraum eines Fahrzeugs liegt. Mit Hilfe eines elektronischen Leichenschnüfflers kann nun Dr. Vass die molekulare Signatur lesen, die ein verwesender Körper zurücklässt. Es scannt zum Beispiel einen Teppich, der aus einem Fahrzeug entfernt wurde, und sieht gewissermaßen, wie die davon ausgehenden Gerüche die Gestalt eines toten Kindes annehmen.»
Ich gab ein Geräusch von mir. Vielleicht war es ein Ächzen und Stöhnen. Unter der Decke verkrampfte sich meine Hand.
«Wir haben Dr. Vass den Teppich aus dem Wagen Ihres Mannes zukommen lassen. Was wird er darauf finden, Tessa? Sind es die letzten Spuren Ihrer Tochter?»
«Hören Sie auf! Sie sind rücksichtslos und ohne Mitgefühl!» Mein Anwalt war aufgesprungen.
Ich hörte nicht mehr zu und erinnerte mich, die Decke zurückgeschlagen und zu meinem Entsetzen gesehen zu haben, dass Sophies Bett leer war.
All I want for Christmas is my two front teeth …
«Was ist mit Ihrer Tochter geschehen?», fragte Detective Warren hartnäckig.
«Er wollte es mir nicht sagen.»
«War sie schon verschwunden, als Sie nach Hause zurückkehrten?»
«Ich habe das ganze Haus nach ihr durchsucht», flüsterte ich. «Die Garage, den Wintergarten, Dachboden, Garten. Ich habe gesucht und gesucht und von ihm verlangt, dass er mir sagt, was er getan hat.»
«Was ist passiert, Tessa? Was hat er mit Sophie gemacht?»
«Ich weiß es nicht. Sie war weg. Verschwunden. Ich hatte Dienst, und als ich zurückkam …» Ich schaute die beiden Detectives an und spürte, wie mein Herz raste. Sophie. Verschwunden. Einfach so.
All I want for Christmas is my two front teeth …
«Was hat er getan, Trooper Leoni? Sagen Sie uns, was Brian getan hat.»
«Er hat unsere Familie ruiniert. Er hat mich belogen. Uns verraten. Er hat alles kaputt gemacht.»
Ich holte wieder tief Luft, sah den beiden ins Gesicht und sagte: «Und da war mir klar, dass er sterben muss.»
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13. Kapitel
«Was hältst du von Tessa Leoni?», fragte Bobby fünf Minuten später, als sie zur Zentrale zurückfuhren.
«Sie lügt und hat die Hosen voll», antwortete D.D. ungehalten.
«Mir scheint, sie taktiert.»
«Wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass sie Cops nicht über den Weg traut.»
«Dabei muss man die doch gern haben, wenn man mal absieht von Alkoholmissbrauch, Anfälligkeit für Selbstmord und Gewalt in der Familie.»
D.D. verzog das Gesicht. Er hatte natürlich recht. Angehörige der Strafverfolgungen waren nicht gerade vorbildlich. Viele Cops hatten sich auf der Straße ihr Handwerkszeug erworben, und die meisten von ihnen waren überzeugt davon, dass das die beste Ausbildung überhaupt sei.
«Sie hat ihre Geschichte geändert», sagte D.D.
«Ist mir auch aufgefallen.»
«Wir haben jetzt zwei Versionen: Einmal erschießt sie zuerst ihren Mann und entdeckt danach, dass die Tochter verschwunden ist, und dann wird die Reihenfolge vertauscht.»
«Das Resultat bleibt gleich. Trooper Leoni wird zusammengeschlagen und Sophie verschwindet.»
D.D. schüttelte den Kopf. «Wenn Aussagen in einem Punkt inkonsistent sind, stimmt die ganze Geschichte nicht. Wenn sie gelogen hat, was die Zeitabfolge angeht, ist insgesamt Skepsis angebracht.»
«Wer einmal lügt …», zitierte Bobby.
Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu und klammerte die Hände fester um das Lenkrad. Tessas Rührgeschichte war ihm offenbar unter die Haut
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