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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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letzter Zeit fast ausschließlich von Brühe und Crackers ernährte, während sie früher bei jeder sich bietenden Gelegenheit voll zugeschlagen hatte.
    Sie musterte ihr von struppigen blonden Locken eingefasstes Gesicht, die eingefallenen Wangen und dunkel geränderten Augen. Einen Schwangerschaftstest hatte sie bislang nicht gemacht. Aber die ausgebliebene Periode, der permanente Erschöpfungszustand und die Brechreizattacken waren ziemlich klare Signale. Sich nach drei Jahren sexueller Abstinenz gleich beim ersten Mal schwängern zu lassen – so viel Pech konnte nur sie haben.
    Plötzlich ging ihr durch den Kopf, dass sie womöglich gar nicht schwanger war, sondern todkrank.
    «Wunschdenken», murmelte sie düster.
    Das Wort brachte sie wieder zurück auf den Teppich. Das konnte sie nicht wirklich gemeint haben. Unmöglich.
    Sie inspizierte wieder den Bauch. War da nicht doch etwas zu spüren? Ihre Fingerspitzen drückten auf eine Stelle, die ihr nicht ganz geheuer schien. Sie malte sich das Bild eines Embryos mit aufgedunsenem Gesicht, Schlitzen statt Augen und einem winzigen Mündchen aus. Junge? Mädchen? Egal. Jedenfalls war es wohl ein Kind.
    «Keine Angst», flüsterte sie in die Stille des Badezimmers. «Ich ziehe das durch und werde dir nicht weh tun. Ganz bestimmt nicht.»
    Sie seufzte schwer und registrierte, dass sie einen ersten vorsichtigen Schritt in Richtung Mutterschaft getan hatte.
    «Aber du musst mithelfen. Verstanden? Du hast mit mir nicht den Jackpot geknackt. Ohne Kompromisse auf beiden Seiten geht’s nicht. Vielleicht fangen wir damit an, dass du mich wieder essen lässt, und ich versuche, früher ins Bett zu gehen. Mehr ist bei mir nicht drin. Wenn dir das nicht reicht, solltest du in den großen Teich zurückkehren und noch mal von vorn anfangen.
    Deine Mommy versucht, ein kleines Mädchen zu finden. Ist für dich vielleicht nicht so wichtig, aber für mich – so wie mein Job insgesamt.»
    Sie seufzte wieder und streichelte sich über den Bauch. «Ich werde also tun, was ich tun muss», fuhr sie flüsternd fort. «In der Welt geht’s drunter und drüber, und wenn man nicht ab und zu für ein bisschen Ordnung sorgt, haben kleine Mädchen wie Sophie Leoni keine Chance. Und auch du wärst bedroht. Lass uns beide für ein besseres Umfeld sorgen. Ich steige jetzt unter die Dusche und werde danach etwas essen. Wie wär’s mit Cornflakes?»
    Ihr wurde plötzlich wieder übel, was sie als Zustimmung deutete. «Also Cornflakes. Und dann geht’s an die Arbeit. Sobald ich Sophie gefunden habe, stelle ich dich deinem Vater vor. Er hat mal gesagt, dass er sich Kinder wünscht. Hoffentlich stimmt das auch. Herrje. Wir bräuchten alle ein bisschen mehr Vertrauen. Okay, packen wir’s an.»
    D.D. drehte den Hahn der Dusche auf.
    Wenig später aß sie eine Schale Cheerios und machte sich dann auf den Weg zur Arbeit – ganz ohne sich übergeben zu haben.
    Immerhin, dachte sie. Immerhin.

    Mit seinem fleischigen Gesicht und der robusten Statur eines ehemaligen Football-Spielers machte Detective Butch Walthers seinem Namen alle Ehre. Er war mit Bobby und D.D. in einem kleinen Frühstücks-Diner unweit seiner Wohnung verabredet, und weil er seinen freien Tag hatte, wollte er dafür wenigstens eine Mahlzeit spendiert haben.
    Als D.D. zur Tür hereinkam, schlug ihr eine Wolke aus Küchendünsten entgegen, die sie fast rückwärts wieder nach draußen geschoben hätte. Eigentlich liebte sie solche Diners. Sie liebte Rührei und Speck. Aber das Einzige, was sie jetzt fühlte, war ein ziemlich penetranter Brechreiz. Grausam, dachte sie. Verdammt grausam.
    Sie atmete ein paarmal tief durch den Mund und fischte sich ein Kaugummi mit Pfefferminzgeschmack aus der Schultertasche. Der in zahllosen Einsätzen an Tatorten mit Leichengeruch erprobte Trick mochte auch hier funktionieren. Sie stopfte drei auf einmal in den Mund, spürte, wie sich scharfer Pfefferminzgeschmack darin ausbreitete, und schaffte es bis zum hinteren Teil der Bar, wo Bobby und Detective Walthers bereits in einer Nische saßen.
    Beide standen auf, um sie zu begrüßen. Sie stellte sich Walthers vor, nickte Bobby zu und rutschte in die Sitzbank, möglichst nah ans Fenster heran. Sie hatte Glück. Das Schiebefenster ließ sich öffnen.
    «Ein bisschen heiß hier», sagte sie. «Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen.»
    Beide Männer schauten sie verwundert an, sagten aber nichts. Es war tatsächlich heiß in diesem Diner, verteidigte sich D.D. im

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