Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater
strampelnde Leben in sich und lächelte glücklich. »Ich werde die beste Mutter auf der Welt sein. Das Kind wird laufen lernen wie ein Mensch, sehen wie ein Vogel, schwimmen wie ein Fisch, die Enten im Fluge schießen, die Früchte von den Bäumen holen. Wir werden stolz auf es sein, Liebling.«
Er drehte sich zu ihr und legte seinen zerstörten Kopf vorsichtig auf ihren Leib. Als er die Hände auf ihre Brüste legte, war er erstaunt, wie rund und prall sie geworden waren. Es ist immer wieder ein Wunder, dachte er. Ein unbegreifliches Wunder.
»Wann?« fragte er leise. »Wann kann es sein?«
»Jeden Tag –«
Es war ihm, als hacke ihm jemand mitten durchs Herz.
Es kam ganz plötzlich.
Anne wachte in der Nacht von einem ziehenden Schmerz im Rücken auf. Ein Schmerz, der hinunterglitt bis zu den Leisten und ihren Unterleib spaltete.
Sie wälzte sich auf die Seite, küßte Bäcker, bis er sie umarmte, und sagte glücklich: »Es kommt –«
Dann krümmte sie sich wieder, hielt seine Hände fest, schlug die Nägel in seine Handrücken und stöhnte. Aus den Poren brach Schweiß, und das schmale, zarte Gesicht schien zu zerfließen.
Bäcker hatte siebzehn Tage Zeit gehabt, sich auf diese Stunde vorzubereiten. Von dem Regen, der in dieser Zeit gefallen war – zweimal ein lauer, erbärmlicher Regen, in den sie sich hineingestellt hatten und durch den sie gelaufen waren wie Kinder durch einen Zaubergarten –, hatte er soviel Wasser wie möglich gesammelt und in der ›Speisekammer‹, der Höhle in der Böschung, in Kanistern und Plastikbeuteln gespeichert. Was mit der ausgespannten Gummiinsel aufgefangen worden war, reichte zusammen mit der Kokosmilch gerade zum Stillen des ärgsten Durstes.
Jetzt hinkte er hinaus, blies das Feuer wieder an, setzte den kleinen Topf auf die Flamme und machte Wasser heiß. Aus der Hütte hörte er Annes auf- und abschwellendes Stöhnen. Es ergriff ihn so, daß er die Fäuste gegeneinander schlug und den Kopf weit in den Nacken legte.
»Jetzt brauche ich dich wieder, Gott«, sagte er leise. »Allein schaffen wir es nicht. Du hast uns hierher verschlagen … nun kümmere dich auch um uns.«
Anne erschien in der Tür. Sie hielt sich am Pfosten fest und drückte die Stirn dagegen.
»Bleib liegen!« schrie Bäcker und stürzte auf sie zu. Er umfaßte sie, trug sie zurück auf das, was sie Bett nannten, hielt dann ihre Hände fest, rannte danach wieder hinaus, holte das heiße Wasser in die Hütte, tauchte drei Tücher, die Anne in den vergangenen Tagen ein paarmal ausgekocht hatte, in den Topf und wartete, wartete, wartete.
Anne wand sich in den Wehen, ihr Stöhnen zerriß ihn fast, er blickte in ihre großen braunen, vom Schweiß überfluteten, schreckensweit geöffneten Augen, streichelte ihren nackten Körper und den sich aufbäumenden, wie zum Platzen bereiten Leib, und als sie aufschrie, die Beine anzog, mit dem Hinterkopf auf die Erde schlug und in größter Not seine Schultern und seine Brust zerkratzte, schrie er mit und hielt die heißen Tücher unter ihre Schenkel.
»Verzeih mir!« schrie er. »Anne, verzeih mir! O mein Gott – mein Gott – mein Gott –«
Sie lag neun Stunden in den Wehen. Zehnmal kochte Bäcker das Wasser wieder auf, zehnmal hockte er vor ihrem zuckenden Leib … und als endlich der Kopf hervortrat, dieser kleine, faltige, verschmierte, von dunklen Haaren bedeckte Kopf, rauschte draußen der Morgenwind in den Palmen, schäumte das Meer mit der Flut bis dicht vor die Hütte, kreischte ein Vogelzug niedrig über das Dach hinweg, und die Sonne tauchte Meer und Insel in weißes, gleißendes Licht.
Es war ein herrlicher, wilder Tag, als Paul geboren wurde. Nur Shirley, sein Pate, fehlte, und Bäcker vermißte ihn sehr.
Er nabelte das Kind ab, indem er mit einem ausgeglühten Messer die Nabelschnur durchschnitt, und hob seinen Sohn an den Beinen mit dem Kopf nach unten hoch, so, wie er es bei Holger, Peter und Marion gesehen hatte.
Der kleine Mensch holte tief Atem, es war eine gewaltige Anstrengung, dieses erste Aufblähen der Lungen, aber dann schrie er, und es war ein hoher, kräftiger, ja triumphaler Schrei.
»Es lebt –«, stammelte Anne. Sie lag bleich, erschöpft und wie ausgeleert vor ihm. Jetzt, da ihr Leib wieder flach war, sah sie unendlich zart und zerbrechlich aus, durchsichtig wie Glas, verzaubert von einem Lächeln, wie es nur Mütter lächeln können. »Liebling … es lebt …«
»Es ist ein Junge«, sagte er, und die Tränen liefen
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